Abmahnungen im Elektrohandel - Die Hersteller ziehen gegen den Handel zu Felde
Im Elektrohandel ist eine neue Abmahnwelle angelaufen. Unter dem 20.12.2007 berichtete zunächst der Heise Zeitschriftenverlag von einer Abmahnwelle der Firma Philips gegen Onlinehändlern, denen vorgeworfen wurde, in ihren Shops angeblich Bildmaterial des Herstellers verwendet zu haben. Gegenüber Heise soll ein Sprecher des Konzerns bestätigt haben, dass es sich bei den Abmahnungen um eine internationale Aktion des Konzerns handeln würde. Aus anderer Quelle wird von Abmahnungen der Firma Sharp berichtet. Nachstehend erläutern wir Ihnen Gründe, warum Hersteller ausgerechnet den Handel abmahnen, der sich darum bemüht, die Produkte des Abmahnenden zu verkaufen.
Übersicht:
- Die Motivationslage der Hersteller
- Wird ein Stellvertreterkrieg geführt?
- Das Beispiel Philips und Sharp
Die Motivationslage der Hersteller
Aus dem Bericht des Branchen-Dienstes Heise, der den Philips-Sprecher Klaus Petri befragt hat, lassen sich Motive für die Abmahnwelle der Hersteller entnehmen. Un-umwunden soll der Philips-Sprecher gegenüber Heise geäußert haben: „man wolle gegen vermeintliche schwarze Schafe unter den Händlern vorgehen“. Diese würden sich aus „ir-gendwelchen Kanälen“ nicht für Deutschland „zugelassene Philips-Produkte“ besorgen und hierzulande anbieten. Offenbar soll mit dieser Formulierung der Eindruck erweckt werden, man benötige eine besondere Zulassung von Philips, wenn man mit Philips-Produkte hierzulande Handel treibt. Dabei wird verschwiegen, dass der europäische Handel vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt ist und mit „zweifelhaften Kanälen“ nichts zu tun hat. Wer sich Waren auf dem europäischen Binnenmarkt beschafft und diese beispielsweise als Reimport Kunden anbietet, nimmt nichts weiter für sich in Anspruch, als die europäische Warenverkehrsfreiheit, die als einer der wesentlichen Grundfreiheit in den Regelwerken der Europäischen Gemeinschaft normiert ist.
Die Hersteller möchten offenbar den Handel beeinflussen, indem sie mit Hilfe von Vertriebshändlerverträgen den Handel an die Hersteller binden. Der Philips-Sprecher soll diese Motivationslage gegenüber Heise sogar in ungewohnter Offenheit bestätigt haben: „Wo Verträge bestehen, gäbe es keine Probleme. Man wolle aber mit dem einen oder an-deren Partner nicht zusammenarbeiten.“
Dabei wird verschwiegen, dass es auch Vertragsfreiheit gibt. Kein Händler kann verpflichtet werden, einen Vertriebspartnervertrag mit einem Hersteller zu schließen. Vielmehr lässt es die marktwirtschaftliche Ordnung zu, dass Händler sich beliebig auf dem europäischen Markt bedienen, importieren oder exportieren und die von den Herstellern auf dem Markt geworfenen Waren frei kaufen und auch wieder verkaufen. Und mehr noch: Preisabsprachen und Preisvorgaben sind vom Kartellrecht untersagt.
Wird ein Stellvertreterkrieg geführt?
Angesichts dieser Rechtslage sind die Möglichkeiten der Hersteller begrenzt. Sie können niemanden zwingen, die gewünschten Vertriebspartnerverträge zu schließen und auch der Versuch, gegen die europäische Warenverkehrsfreiheit anzurennen, würde bedeuten, Eulen nach Athen zu tragen.
Bereits vor Jahren wurde deshalb von Herstellern versucht, den innereuropäischen Reimport über die Markenrechte an ihren Produkten untersagen zu wollen. Dieser Versuch ist rechtskräftig gescheitert. Die Rechtsordnung hat dabei den sogenannten Erschöpfungsgrundsatz hervorgehoben. Dieser bedeutet, dass das Markenrecht in gewissen Grenzen durch den Erstverkauf erschöpft ist. Oder laienhaft ausgedrückt: wer seine bewegliche Sachen verkauft und diese damit selbst in den Markt hineinträgt, kann sich nicht im dritten, vierten oder gar fünften Glied der Verkaufskette auf Markenrechte berufen, nur um den Weiterverkauf nach seinem Belieben bis zum Endverbraucher steuern zu können.
Nun besteht ein erneuter Versuch offenbar darin, das Wettbewerbsrecht zu instrumentalisieren. Gerade im Bereich von Massenabmahnungen machen sich Abmahnende häufig die Tatsache zu nutze, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, rechtliche Fehler auf Internetseiten von Online-Händlern zu entdecken. Wer eine Internetseite bewirbt, muss nicht bloß ein rechtsgültiges Impressum mit einer inzwischen bis in kleinste Detail ausgefeilten Rechtsprechung beachten, über Widerrufsrechte beleh¬ren und dabei eine beinahe buchstabengenau ausdifferenzierte Rechtsprechung kennen oder die Preisangabenverordnung mit seinen ausgefeilten Verästelungen beachten. Viel¬mehr existiert gerade im Bereich des Elektrohandels eine Vielzahl von häufig unbekann¬ten Normen, die immer wieder zum Schauplatz wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen werden. Da diese Gesetze oftmals unbekanntes Terrain sind, eröffnet sich hier für ab¬mahnwillige Wettbewerber eine schier unerschöpfliche Gestaltungsmöglichkeit.
Das Beispiel Philips und Sharp
Nunmehr machen sich die Hersteller Philips und Sharp die Tatsache eines für viele Händ¬ler kaum noch überschaubaren Rechtssystems im Internet zunutze, um gezielt nach Fehlern auf Internetseiten zu fahnden, wettbewerbsrechtliche Abmahnungen auszuspre¬chen und dabei durch die Möglichkeit, Abmahnkosten zu kassieren, wirtschaftlichen Druck auf die Händler auszuüben. Wer sich dagegen verteidigen und mit einem möglichst geringen Schaden herauskommen möchte, braucht nicht bloß eine gute Rechtsberatung, sondern unter Umständen auch einen langen Atem.
Die Praxis zeigt jedoch, dass sich der Sachverhalt bei genauer Analyse häufig anders darstellt, als er von der Gegenseite beschrieben wird. Nicht selten sind in Abmahnschrei-ben nicht unbedeutende rechtliche Fehler enthalten. Besonders relevant sind dabei die vorformulierten Unterlassungserklärungen, die fast immer zu weitgehend sind. Gerne wird bei der Berechnung der Abmahnkosten ein zu hoher Gegenstandswert zugrunde gelegt. Selbst wenn die Abmahnung berechtigt ist, ist es vielfach ausreichend, eine modifizierte Unterlassungserklärung abzugeben. Eine erfolgreiche Verteidigungsstrategie hängt jedoch immer von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und lässt sich nicht abstrakt beschreiben.