Ärzte & Persönlichkeitsrechte: Notdienstdaten dürfen nicht im Internet veröffentlicht werden
Das Landgericht Potsdam hat die Persönlichkeitsrechte von mittelständischen Unternehmern gestärkt; auch im Zeitalter des Web 2.0 ist nicht jede Nennung im Internet zulässig. Im konkreten Fall übermittelte die Kassenzahnärztliche Vereinigung des Landes Brandenburg den Namen und die Anschrift einer niedergelassenen Ärztin zur Bekanntmachung ihres Notfalldienstes an eine regionale Zeitung, die diese Information nicht nur in ihrer Printausgabe veröffentlichte, sondern auch im weltweit abrufbaren Internet. Die Ärztin, bei der die privaten Wohnräume und ihre Praxis im selben Haus liegen, wollte dies nicht hinnehmen. ilex Rechtsanwälte konnte eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Potsdam erwirken, wonach die im Internet hinterlegten Daten zu löschen sind (LG Potsdam, Beschluss v. 19.12.2011 – 2 O 372/11). ilex erklärt die Hintergründe.
Übersicht
Der Fall
Die betroffene Ärztin unterliegt als Zahnärztin dem ärztlichen Berufsrecht. Dazu zählt unter anderem die Bereitschaftsdienstordnung der Landeszahnärztekammer Brandenburg vom 30.05.2007, zuletzt geändert am 03.12.2007 (ZBB 6/2007). Dieses Berufsrecht verpflichtet Zahnärzte zur Teilnahme am ärztlichen Notdienst. Nach deren § 5 muss die Bekanntmachung des Notfalldienstes in den regionalen Presseorganen und den öffentlichen Ansagediensten, bei der Feuerwehr und bei den regionalen Rettungsstellen erfolgen. Hierbei dürfen jedoch ausdrücklich nur die Praxisadresse, das Praxistelefon, sowie die Sprechzeiten und die private Telefonnummer veröffentlicht werden. Entsprechend dieser Vorgaben übermittelte die Kassenzahnärztliche Vereinigung des Landes Brandenburg den Namen, die Anschrift (zugleich privat und dienstlich) und die Telefonnummer der betroffenen Ärztin an eine regionale Zeitung. Diese Zeitung veröffentlichte diese Daten allerdings nicht nur in ihrer Printausgabe, sondern auch in ihrer Online-Ausgabe und letzteres auf unbestimmte Zeit. In die weltweit abrufbare Online-Veröffentlichung hatte die Mandantin nicht eingewilligt.
Die Rechtslage
Vor diesem Hintergrund stand der betroffenen Ärztin ein Anspruch auf Löschung ihrer Daten aus dem Online-Archive der Zeitung zu. Unternehmen, zu denen auch Zeitungen gehören, müssen – etwa nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG Düsseldorf, 15. Zivilsenat, Urt. v. 15.05.2005 - I-15 U 196/04) – diejenigen Datenverarbeitungen beseitigen und/oder unterlassen, die nicht durch das Bundesdatenschutzgesetz gedeckt sind.
Hier lag in der Veröffentlichung der privaten Daten der Ärztin eine unzulässige Datenverarbeitung. Denn die Daten wurden weltweit abrufbar bereitgestellt, was eine Datenübermittlung und somit auch eine Datenverarbeitung i.S.d. § 3 Abs. 4 des Bundesdatenschutzgesetzes darstellt.
Eine solche Datenverarbeitung ist nach geltender Rechtslage grundsätzlich verboten (= Regelfall); es sei denn, die verantwortliche Stelle kann sich auf die Einwilligung des Betroffenen oder eine Rechtsgrundlage berufen (= Ausnahme). Man spricht hier vom sog. datenschutzrechtlichen Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Für den Fall der Internetveröffentlichung folgt dieser Rechtssatz aus § 12 Abs. 1 des Telemediengesetzes (kurz: TMG).
Hier konnte die regionale Zeitung aber keinen Rechtfertigungsgrund für die Online-Veröffentlichung der Daten vorweisen. Eine Einwilligung lag nicht vor. Es fehlte aber auch an einer sonstigen Rechtsgrundlage. Insbesondere stellt § 5 der Bereitschaftsdienstordnung der Landeszahnärztekammer Brandenburg vom 30.05.2007, zuletzt geändert am 03.12.2007 (ZBB 6/2007) keine solche Rechtsgrundlage dar. Die Bereitschaftsordnung bezieht sich nämlich gerade nicht auf das Medium Internet, sondern nur auf Printmedien und schied daher als Rechtsgrundlage aus.
Die Zeitung konnte sich auch nicht auf ihre Pressefreiheit im Sinne des Art. 5 des Grundgesetzes entgegenhalten, denn die Veröffentlichung von Praxisdaten sind ganz offensichtlich keine journalistisch-redaktionelle Tätigkeit, sodass das Presseprivileg i.S.v. § 41 des Bundesdatenschutzgesetzes nicht greift.
Fazit: Die Bereitschaftsdienstordnung der Landeszahnärztekammer Brandenburg ist keine taugliche Rechtsgrundlage für die Internet-Veröffentlichung der Praxisdaten.
Der Beschluss
Das Landgericht Potsdam schloss sich dieser Rechtsauffassung vollumfänglich an und untersagte der betroffenen Zeitung die Online-Veröffentlichung. Diese Entscheidung hat die Zeitung mittlerweile akzeptiert und auf Rechtsmittel verzichtet.
Fazit
Der Fall der betroffenen Ärztin zeigt sehr deutlich, dass auch im Zeitalter des Web 2.0 die Durchsetzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts möglich ist. Die Betroffenen sollen nach Vorstellung des Bundesverfassungsgerichts Herren ihrer Daten sein und auch bleiben. Wer nicht im Internet stehen will, braucht dies auch nicht. Die Gefahren durch die Veröffentlichung der eigenen Daten im Internet sollte niemand unterschätzen. Gerade Unternehmer, in deren Unternehmensräumen sich hohe Sachwerte befinden (wie etwa medizinisches Gerät bei Ärzten), sollten nicht unterschätzen, dass eine weltweite Nennung ihrer Daten das Einbruchsrisiko signifikant erhöht. Daher sollte jeder Unternehmer genau bedenken, wo er genannt werden will und wo nicht.
Mittlerweile steht aber zumindest für alle Brandenburger Zahnärzte fest, dass eine Online-Veröffentlichung ihrer Daten nicht durch die Die Bereitschaftsdienstordnung gerechtfertigt wird.