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Datenschutzgrundrecht in der Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej – Ein Vorbild für Deutschland?

Die Verfassung der Republik Polen, die Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej, beinhaltet – im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz – einen ausdrücklich so bezeichneten Schutz der informationellen Selbstbestimmung.

In der Bundesrepublik, die sich gern als Geburtsland des Datenschutzrechtes sieht, wird über die Frage, ob das Grundgesetz durch eine entsprechende Bestimmung zu ergänzen ist, schon lange diskutiert. Der Mehrwert einer Verfassungsergänzung wäre aber gering, denn es gibt bereits ein übergeordnetes europäisches Verfassungsverständnis über den Datenschutz. Zudem haben die Artikel 47 und 51 der Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej nicht unbedingt dazu geführt, dass die polnischen Datenschutzgesetze über einen europäischen Mindesstandard hinausreichen. Für deutsche Unternehmen, die in Polen investieren und polnische Unternehmen, die sich in Deutschland engagieren, kommt es ohnehin weniger auf die Verfassungen an.

Übersicht


1. Die Bestimmungen in der Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej

Die polnische Verfassung enthält gleich zwei Kernvorschriften zum Recht auf Datenschutz. Art. 47 (Każdy ma prawo do ochrony życia prywatnego, rodzinnego, czci i dobrego imienia oraz do decydowania o swoim życiu osobistym) garantiert umfassende Freiheiten vor Eingriffen in das Privatleben. Art. 51 (1. Nikt nie może być obowiązany inaczej niż na podstawie ustawy do ujawniania informacji dotyczących jego osoby. […] 5. Zasady i tryb gromadzenia oraz udostępniania informacji określa ustawa.) konkretisiert dies und gewährt umfassende Schutzrechte; etwa das Recht, Daten geheim zu halten, solange dem nicht eine gesetzliche Bestimmung entgegensteht (Art. 51 Nr. 1).

2. Die Diskussion in Deutschland

Auch in der Bundesrepublik ist ein Recht auf Privatsphäre verfassungsrechtlich garantiert. Der Unterschied zur Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej besteht darin, dass im Grundgesetz keine ausdrückliche Bestimmung aufgenommen wurde. Vielmehr hat der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes schon 25. Mai 1954 aus der Kombination der unantastbaren Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) das Allgemeine Persönlichkeitsrecht entwickelt (Az. I ZR 211/53), das das Bundesverfassungsgerichts spätestens mit dem Volkszählungsurteil (Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83) hin zu einem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung konkretisierte. Hinzukommt, dass mit Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention eine ausdrückliche Verbriefung dieses Menschenrechtes auf Privatsphäre in Deutschland Gesetzesrang hat.

Dennoch gibt es ein Bedürfnis dieses Kerngrundrecht in unsere Verfassung zu schreiben. Bislang sind diese Versuche an den politischen Mehrheiten gescheitert. Befürworter führen v.a. die überragende Bedeutung eines solchen Grundrechts für unsere moderne Informationsgesellschaft an, die nicht länger einer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes unterworfen werden soll, sondern einem demokratisch legitimierten Verfassungsgesetzgeber. Dem halten ablehnende Stimmen entgegen, dass eine Ausweitung des niedergeschriebenen Grundrechtekataloges dem Grundgesetz seine Autorität nehmen würde, indem es verwässert wird.

3. Praktische Auswirkung für mittelständische Unternehmen

Die oben skizzierte Diskussion ist v.a. eines: Von akademischer Bedeutung. Grund- und Menschenrechte garantieren den Schutz der informationellen Selbstbestimmung, etwa durch die Kombination aus Art. 1, 2 GG oder in zahlreichen Landesverfassungen. Staatliche Eingriffe begegnen dem Bürger ohnehin sehr häufig auf Länderebene, wo viele Landesverfassungen bereits entsprechende Vorschriften enthalten. Auf Bundesebene macht das Bundesverfassungsgericht nicht gerade den Eindruck, dieses Grundrecht verwässern zu wollen; erst Recht nicht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Was aber übersehen wird, ist, dass die Bedeutung des Datenschutzrechtes im Verhältnis Bürger-Staat abgenommen und im Verhältnis Bürger-Unternehmen erheblich zugenommen hat. Die großen Datenschutzskandale der letzten Jahre ereigneten sich – bis auf wenige Ausnahmen – bei der Deutschen Bahn oder Google. Hier ist das Schutzbedürfnis erheblich gestiegen. Doch in diesem Verhältnis; gemeint ist Bürger-Unternehmen; haben Grundrechte mittelbare Bedeutung. Letztlich lässt sich genau dies auch in Polen beobachten, denn die einfachgesetzlichen Normen in Polen schützen die Bürger – gerade in diesem Sektor – nicht mehr als in Deutschland.

Für mittelständische Unternehmen in Polen und Deutschland sind aber diese Gesetze unterhalb des Verfassungsrangs oftmals viel entscheidender.

4. Fazit

Polen ist ein landschaftlich interessantes und aus deutscher Perspektive ein wirtschaftlich bedeutendes Nachbarland. Deutsche Unternehmen, die sich in Polen engagieren, sollten nicht vor davor zurückschrecken, dass die polnische Verfassung das Datenschutzrecht verbrieft. Denn die einfachen Datenschutzgesetze Polens lassen Möglichkeiten, Datenschutzrecht und Wirtschaftlichkeit miteinander zu vereinbaren; so wie fast überall in Europa. Im Gegenzug sollten polnische Unternehmen nicht glauben, dass das Fehlen entsprechender Grundgesetzartikel in Deutschland auf ein geringeres Datenschutzniveau hinweist.

Im Ergebnis bedarf es also keiner Diskussion über die Erweiterung des Grundgesetzes, sondern v.a. wirtschaftlicher Lösungen im Einzelfall. Das gilt sowohl hier als auch dort.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

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Telefon +49 331 9793750
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