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Die Deutsche Post AG gibt Adressdaten an die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) weiter - Ist das erlaubt?

Die Diskussion um die geplante und ungefragte Weitergabe von Adressdaten von Meldebehörden an Adresshändler und Werbefirmen im Rahmen des noch nicht in Kraft getretenen Meldegesetzes (genauer: Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens) ist noch nicht verebbt, da zeigt sich nach Recherchen von ilex Rechtsanwälte, dass das, was erst für die Meldebehörden erst geplant ist, auf anderer Ebene längst Realität ist. Etwa die Deutsche Post AG verfügt über eine Vielzahl sensibler Informationen, insbesondere über die Adressdaten von Bundesbürgern. Diese Daten werden etwa bei der Erteilung eines Nachsendeauftrages erhoben. Dabei kommt es vor, dass die Deutsche Post AG personenbezogene Daten an die Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (GEZ) weitergibt. Es darf hierbei die Frage gestellt werden, ob dies zulässig ist. Und wenn ja, ob ein Bußgeldbescheid auf diese Daten gestützt werden darf. ilex Rechtsanwälte, als eine auf das Datenschutzrecht spezialisiert arbeitende Sozietät, fasst die Rechtslage zusammen.

Überblick:


Der Grundsatz: Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

Im Datenschutzrecht gilt die Regel: Grundsätzlich ist die Erhebung, Verarbeitung und/ oder Nutzung verboten (= Regel), es sei denn die verantwortliche Stelle kann diesen Vorgang ausnahmsweise auf die Einwilligung des Betroffenen oder eine andere Rechtsgrundlage stützen (= Ausnahme). Dieses Regel-Ausnahme-Prinzip, das gemeinhin als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bezeichnet wird, folgt aus einer Vielzahl von Rechtsquellen. Aus der EU-Datenschutzrichtlinie, aus dem im Grundgesetz geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes) oder aus einfachen Gesetzen, wie etwa § 4 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes. Im Falle von Daten im Zusammenhang mit dem Postgeheimnis folgt dies grundsätzlich aus dem seit Jahrhunderten normierten Postgeheimnis, welches Verfassungsrang hat und in § 39 des Postgesetzes einfachgesetzlich geregelt ist. Es kann also zusammengefasst werden: Grundsätzlich ist es verboten, dass die Deutsche Post AG die Adressdaten von Postkunden an die GEZ übermittelt. Es stellt sich die Frage, ob es hierfür ausnahmsweise eine Rechtfertigung gibt.

Die Möglichkeit einer Einwilligung durch den Postkunden

Grundsätzlich wäre es denkbar, dass sich die Deutsche Post AG von ihren Postkunden im Vorfeld eine Einwilligung zur Weitergaben der Adressdaten an die GEZ erteilen lässt. Bislang ist der hiesigen Sozietät nicht bekannt, dass die Deutsche Post AG solche konkrete Einwilligungserklärungen einholt. In einem Fall, bei dem eine solche Einwilligung ausdrücklich nicht erteilt wurde, fragten wir nach. Die Antwortet lautete: die Erforderlichkeit der Adressdatenweitergabe an die GEZ folge aus § 40 Satz 1 des Postgesetzes.

Gibt es eine gesetzliche Grundlage im Postgesetz?

Als gesetzliche Grundlage kommt allenfalls § 40 Satz 1 des Postgesetzes in Betracht. Dort heißt es: „Unternehmen und Personen, die geschäftsmäßig Postdienste erbringen oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirken, teilen Gerichten und Behörden auf deren Verlangen die zustellfähige Anschrift eines am Postverkehr Beteiligten mit, soweit dies für Zwecke des Postverkehrs der Gerichte oder Behörden erforderlich ist.“ Allerdings stellt sich die Frage, ob die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Kritisch kann man hinterfragen, ob der persönliche Anwendungsbereich der Norm überhaupt eröffnet ist. Mit anderen Worten: Sind die Deutsche Post AG und die GEZ überhaupt die Beteiligten, die der Gesetzgeber in § 40 Satz 1 des Postgesetzes vor Augen hatte? Es steht außer Frage, dass dies für die Deutsche Post AG zutrifft. Doch ist die GEZ eine Behörde oder ein Gericht? Ein Gericht ist sie mit Sicherheit nicht. Aber ist sie eine Behörde? Das Postgesetz definiert diesen Begriff nicht; auch der Gesetzesbegründung ist hierzu nichts zu entnehmen. Daher könnte man auf die Idee kommen, auf § 1 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zurückzugreifen. Danach ist eine Behörde jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Letzteres wird man bei der GEZ zunächst annehmen können, da sie Gebühren eintreibt. Dennoch bleiben Zweifel. Ist es wirklich sachgerecht, den Behördenbegriff auf dem Verwaltungsverfahrensrecht für das Postgesetz zu übernehmen? Die Gesetzesbegründung kann durchaus Anlass geben, gerade hieran zu zweifeln. Denn das Gesetz soll den Kontakt der Behörden und Gerichte mit den Bürgern im Alltag erleichtern. Bei der Behördenfunktion geht es jedoch nicht darum, staatliche Sanktionen, etwa im Strafverfahren, zu ermöglichen (BT-Drs. 13/7774, Seite 31). Nun darf gefragt werden: Welches Interesse verfolgt die GEZ mit der Datenbeschaffung? Sie benötigt die Daten vorrangig für Maßnahmen, die durchaus Sanktionscharakter haben, sodass vor diesem Hintergrund äußerst fraglich ist, ob die GEZ eine Behörde i.S.v. § 40 Satz 1 des Postgesetzes ist. Die GEZ jedenfalls sieht sich nicht als eine Behörde. Auf Ihrer Internetseite schreibt diese in der Selbstbeschreibung (Stand Juli 2012): „Viele glauben, die GEZ sei eine staatliche Behörde oder gehöre zur Post. Das ist ein Irrtum.“

Welchen Rechtsschutz gibt es?

Die Frage nach dem Rechtsschutz hängt davon ab, ob § 40 des Postgesetzes der Deutschen Post AG die Verpflichtung auferlegt, die Adressdaten an die GEZ weiterzureichen. Falls dies zu verneinen ist, können Betroffene grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch oder ein Widerspruchsrecht gegen die Deutsche Post AG als datenübermittelnde Stelle geltend machen.

Praktische Relevanz - Geldbuße durch die GEZ?

Die praktische Relevanz der Rechtsfrage tritt vor allem dann ein, wenn die Betroffenen eine Geldbuße zahlen sollen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes zum Empfang entgegen seiner Verpflichtungen nicht innerhalb eines Monats anzeigt. Wird dieser Bußgeldbescheid auf Daten gestützt, die die GEZ von der Deutschen Post AG erhalten hat, ist der Bußgeldbescheid - nach unserem Rechtsverständnis - angreifbar. Denn § 40 des Postgesetzes stellt klar, dass die Daten nicht für die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verwendet werden dürfen. Letzteres ergibt sich aber auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/7774, Seite 31).

Fazit

Die Deutsche Post AG stützt sich bei der Übermittlung von Daten an die GEZ auf § 40 des Postgesetzes. Ob diese Vorschrift die Übermittlung rechtfertigen kann, kann man in Zweifel ziehen. Bedenkt man, dass das Postgesetz eigentlich das jahrhundertealte Postgeheimnis als den Regelfall vorschreibt und die Verletzung desselben die normierte Ausnahme sein sollte, entstehen ebenfalls Zweifel. ilex Rechtsanwälte rät dazu, in jedem Fall genau zu überprüfen, ob die richtigen Daten an die richtige Stelle übermittelt worden sind. Für ein etwaiges Bußgeldverfahren dürfen die Daten, die die Post übermittelt, jedenfalls nicht verwendet werden.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

ilex Rechtsanwälte – Berlin & Potsdam Yorckstraße 17, 14467 Potsdam Hohenzollerndamm 123, 14199 Berlin

Telefon +49 331 9793750
Telefax +49 331 97937520

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