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Die Zulässigkeit der Videoüberwachung (vom Hallenbad bis zum Behandlungszimmer): Ultima ratio!

Videoüberwachung dient als Diebstahlssicherung in Umkleidekabinen von Hallenbädern und Textilläden, aber auch der medizinischen Überwachung von Patienten in Behandlungszimmern. Diese Anliegen sind verständlich; i.d.R. ändern sie aber nichts daran, dass die Videoüberwachung im sensitiven Bereich rechtswidrig ist. Der Beitrag zeigt die wenigen Ausnahmen von diesem Grundsatz und erinnert an dieser Stelle auch den Jahresbericht 2011 des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.


Gliederung


1. Zulässigkeit der Videoüberwachung

Auch wenn die Videoüberwachung durch zahlreiche datenschutzrechtlichen Normen (mit-)geregelt wird, ist die “Dreh- und Angelnorm” § 6b BDSG, in dessen Absatz 1 es heißt:

Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie

1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2.zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3.zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zweckeerforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

Entscheidend ist also, dass der überwachte Raum öffentlich zugänglich ist und die Aufnahme mindestens eines der drei Katalogkritierien trifft (Nr. 1 öffentliche Aufgaben, Nr. 2 Hausrecht, Nr. 3 berechtigtes Interesse) und dass die Überwachung verhältnismäßig ist. Bezeichnenderweise sind die vorgenannten Voraussetzungen derart vage und unpräzise beschrieben, dass allein die Lektüre des Gesetzestextes nicht wirklich weiterhilft. Ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter, ob extern oder intern, oder anwaltlicher Rat im Einzelfall kann helfen.

Ein Beispiel: Das Merkmal der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung der Interessen des Überwachenden mit den Interessen des Überwachten. Bei dieser Abwägung ist zunächst zwischen sensitiven und nichtsensitiven Bereichen zu differenzieren. Hierzu führt etwa der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in seinem Jahresbericht 2011 auf Seite 60 aus:

Als sensitiv werden Bereiche bezeichnet, in denen Personen ihre religiösen oder philosophischen Überzeugungen, ihre politische Gesinnung oder ihre Sexualität frei entfalten können. Zu sensitiven Bereichen gehören z. B. Eingangsbereiche zu Kirchen, Partei- und Gewerkschaftsräumen, Nachtclubs und Bordellen, HI V-/ AIDS-, Suchtberatungsstellen oder Treffpunkte von Homosexuellen. Darüber hinaus gelten auch Umkleidekabinen in Kaufhäusern, Frei- und Hallenbädern als sensitiv, wenn sich Personen in diesen Bereichen entkleiden und die Videoüberwachung damit in den Kernbereich der Intimsphäre eingreift. Gleiches trifft auf Behandlungszimmer von Arztpraxen oder sonstigen medizinischen Einrichtungen zumindest dann zu, wenn die Videoaufnahmen Rückschlüsse auf die Krankheit einer bestimmten Person zulassen. unterliegen einem erhöhten gesetzlichen Schutz.

In diesen Bereichen ist eine Videoüberwachung in aller Regel unverhältnismäßig. An zwei Beispielen soll nun erläutert werden, wo Ausnahmen undenkbar und wo sie durchaus denkbar sind.

2. Beispiel: Hallenbad

Im Hallenbad befindet sich im Umkleidebereich meist Umkleideschränke, die oftmals Angriffspunkt von Diebstahlsdelikten sind. Daher “kann man” Hallenbadbetreiber “gut verstehen”, wenn sie diesen Bereich videoüberwachen lassen. Da der Umkleidebereich durch das notwendige Entkleiden zum sensitiven Bereich gehört, gilt der oben formulierte Grundsatz, dass eine Videoüberwachung nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig ist. Hier ist ein solcher Ausnahmefall aber gerade nicht gegeben, denn die Videoüberwachung ist – nach Ansicht vieler Aufsichtsbehörden – nicht das einzige Mittel zum Diebstahlsschutz im Hallenbad. Etwa heißt es in dem vorab schon zitierten Jahresbericht auf Seite 61:

Wenn z. B. im Umkleidebereich eines Hallenbades regelmäßig Spindschrankaufbrüche und Diebstähle von Wertgegenständen festgestellt werden, sollte der Betreiber über die Verbesserung eines Schließsystems an den Spinden oder über die Verstärkung der Spindtüren nachdenken. Eine andere Alternative wäre die Errichtung von separaten Schließfachschränken außerhalb des Umkleidebereichs. Diese Maßnahme ermöglicht, Wertgegenstände sicherer zu verschließen als in Spindschränken.

Der Erkenntnisgewinn kann auf den Rechtssatz zusammengepresst werden: Im sensitiven Bereich ist die Videoüberwachung nur zulässig, wenn zur Erreichung eines wichtigen Zwecks keine Alternative besteht.

3. Beispiel: Patientenbehandlungszimmer

Ein Behandlungszimmer, sowohl im Krankenhaus als auch in der Arztpraxis, gehört unstreitig zum sensitiven Bereich. Und deshalb gilt auch hier: Die Videoüberwachung ist grds. unzulässig. Hieran ändert sich auch nichts, wenn der Arzt mit Diebstahlsschutz – etwa seiner teuren medizinischen Geräte – argumentiert. Denn monetäre Interessen stehen i.d.R. hinter den Patienteninteressen. Und dennoch sind Fälle denkbar, in denen eine Überwachung hier zulässig ist. Denn, wenn die Überwachung zwingende medizinische Gründe an – etwa die Überwachung des Patientenzustandes – dann kann sie u.U. zulässig sein. Hier entscheidet aber nur der Einzelfall und eine medizinisch-juristische Mischexpertise. Dabei kann ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter durchaus helfen.

Doch selbst wenn die Zulässigkeit der Videoüberwachung im sensitiven Bereich gegeben ist, sind eine Vielzahl von organisatorischen und technischen Maßnahmen zu beachten; etwa die Löschung der aufgezeichneten Daten oder die Vorabinformation der Patienten.

4. Fazit

Die Videoüberwachung im sensitiven Bereich ist grundsätzlich unzulässig. Wer entgegen diesem Grundsatz argumentiert, es gäbe keine andere Möglichkeit seine berechtigten Interessen zu verfolgen, muss schon sehr kreativ sein und nahezu alle Möglichkeiten ausschließen. In jedem Fall sollte vor jeder Überwachung – auch im nicht sensitiven Bereich – eine genaue Abwägung stattfinden und ggf. mit der zuständigen Aufsichtsbehörde abgestimmt werden.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

ilex Rechtsanwälte – Berlin & Potsdam Yorckstraße 17, 14467 Potsdam Hohenzollerndamm 123, 14199 Berlin

Telefon +49 331 9793750
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