Filesharing und die Risiken: Nutzer von Tauschbörsen im Visier der Strafverfolgung
Seit geraumer Zeit werden Internetnutzer für die Ermöglichung des Zugriffs auf Dateien abgemahnt. In einer Vielzahl von Fällen ist die Ursache für diese Abmahnungen das sogenannte „Filesharing“. Gemeint ist damit der Austausch von Dateien zwischen verschiedenen Nutzern über das Internet. Häufig geschieht dies über ein sogenanntes Peer-to-Peer-Netzwerk.
Übersicht:
- Wie funktioniert „Filesharing“?
- Der rechtliche Hintergrund: Urheberrecht
- Risiko der rechtlichen Inanspruchnahme
- Wie vollzog sich bislang die Praxis der Rechtsverfolgung?
- Wie verteidigt man sich gegen Abmahnungen?
Wie funktioniert „Filesharing“?
Wer am „Filesharing“ teilnimmt, hat als Nutzer die Möglichkeit auf vorhandene Dateien anderer Teilnehmer zuzugreifen und verpflichtet sich, anderen Nutzern seine eigenen Dateien zur Verfügung zu stellen; seien es Musik-, Filmdateien oder Spiele. Zu den ersten Tausch-Netzwerken dieser Art zählte das zum Inbegriff der Tauschbörse bekannt gewordene Napster. Dieses ermöglichte den Austausch von Dateien noch über einen zentralen Server, d. h. mit Hilfe einer „übergeordneten Quelle“. Klagen von Urheber-Verwertungsgesellschaften führten dazu, dass Napster zu einem kostenpflichtigen Anbieter mutierte, der nunmehr lizenzierte Inhalte gegen Geld anbietet.
Inzwischen existieren eine ganze Reihe von Tauschbörsen, die gänzlich anders funktionieren und als dezentral organisierte Netzwerke aufgebaut wurden, wie beispielsweise Kademlia (Azureus, eMule), Gnutella (LimeWire, Bearshare) oder FastTrack (Kazaa Lite K++). Die Möglichkeit des Zugriffs auf die Dateien erfolgt in diesem Fall direkt zwischen den einzelnen Internetnutzern, bei dem jeder Nutzer die Möglichkeit hat, auf die Daten des jeweils anderen zuzugreifen. In den meisten Fällen ist die Gestattung des Zugriffs auf die eigenen Inhalte Voraussetzung zur Teilnahme. Jeder Teilnehmer ist deshalb Anbieter und Nutzer gleichermaßen, was die Kontrolle der Inhalte und das Bestimmen der für die Inhalte verantwortlichen Stelle unter Umständen schwieriger macht. Einige Tauschbörsen versuchen zudem, die Anonymität der Teilnehmer durchzusetzen (z. B. StealthNet, ANts P2P, I2Phex, GNUnet und Freenet).
Der rechtliche Hintergrund: Urheberrecht
Die meisten der in den Tauschbörsen angebotenen Inhalte, seien es Musikstücke, Filme oder Computerprogramme, sind urheberrechtlich geschützt. In diesem Fall steht gemäß § 19a Urheberrechtsgesetz allein dem Urheber das Recht zu, sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Einstellen im Internet, wo jederzeit und weltweit die Möglichkeit des Zugriffs existiert, gilt als eine Veröffentlichung im Sinne des Urheberrechts, die ohne die Erlaubnis des Urhebers eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Ausnahmen gelten lediglich dort, wo der Urheberrechtschutz nicht greift, etwa wenn eine freie Weitergabe zuvor ausdrücklich gestattet wurde (etwa bei sog. Freeware) oder weil es sich aus anderen Gründen um frei verwendbares Gemeingut handelt. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn das Werk aufgrund des Ablaufs der Schutzfristen gemeinfrei wurde (70 Jahre nach dem Tod des Autors).
Ohne das Einverständnis des Urhebers kann das Anbieten von Werken auch strafrechtliche Relevanz haben. § 106 UrhG sieht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Bei gewerbsmäßigem Handel erhöht sich der Strafrahmen auf bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe. Nach den neueren Änderungen im Urheberrechtsgesetz gilt dies auch dann, wenn das Angebot nicht dazu dienen soll, Gewinne zu erzielen.
Die Ermöglichung des Zugriffs auf urhebergeschützte Inhalte (der sog. Upload) ist bereits seit dem Jahre 2003 verboten. Damit droht grundsätzlich die strafrechtliche Verfolgung und die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen durch den Urheber oder eine Verwertungsgesellschaft. Der bloße Download solcher Inhalte ohne gleichzeitigen Upload ist erst seit Anfang 2008 ausdrücklich untersagt. Jetzt ist das Herunterladen nicht mehr nur dann strafbar, wenn bereits das Einstellen der Datei in das Internet rechtswidrig war, sondern immer dann, wenn Rechtsinhaber damit nicht einverstanden sind.
Risiko der rechtlichen Inanspruchnahme
Das Internet bietet nicht immer die vielfach angenommene Anonymität. Grundsätzlich lässt sich über die IP-Adresse, sofern diese nicht gefälscht wurde, der einem Internetanschluss zugewiesene Inhaber ermitteln. Dabei wird zunächst mit Hilfe der IP-Adresse der Provider ermittelt. Der wiederrum kann von den Strafverfolgungsorganen zur Auskunft aus dem Kundenbestand über den Anschlussinhaber verpflichtet werden. Die Verwertungsgesellschaften nutzen dann häufig die Strafverfolgungsorgane, um mit Hilfe eines Akteneinsichtsrechtes in die Strafermittlungsakte an die Anschriften der Kunden zu gelangen. Die Anschlussinhaber werden dann angeschrieben und zivilrechtlich in Anspruch genommen.
Der Anschlussinhaber muss jedoch nicht zwingend mit dem Nutzer der Tauschbörse identisch sein, da es sich beim Anschlussinhaber auch um eine Universität, ein Internetcafé, ein Familienmitglied oder eine sonstige Person handeln kann. In vielen Fällen ist der Anschlussinhaber eine Person aus einem Mehrpersonenhaushalt. In vielen dieser Fälle stellt sich die Frage, ob der Anschlussinhaber als Störer für das Handeln anderer Personen überhaupt haftet. Die Antwort auf diese Frage hängt vom konkreten Einzelfall ab.
Auch die ermittelte IP-Adresse kann aus unterschiedlichen Gründen mit Fehlern behaftet sein. Die meisten IPs werden nur für 24 Stunden vergeben, eine Ermittlung des Anschlusses nach dieser Zeitspanne erfordert daher eine Speicherung der Verbindungsdaten. Dies war eigentlich durch das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorgesehen, durch das Internetdienstanbieter verpflichtet werden sollten, Verbindungsdaten ihrer Vertragspartner für sechs Monate zu speichern und an Behörden herauszugeben. Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht jedoch entschieden, dass die Gesellschaften die Daten ihrer Kunden zwar ein halbes Jahr speichern, sie aber nur bei dem begründeten Verdacht auf schwere Straftaten an die Behörden weitergeben dürfen. Experten gehen davon aus, dass diese Entscheidung Auswirkungen auf die bisherige Praxis der Rechtsverfolgung bei Nutzern von Tauschbörsen hat und sogar das Ende der Strafverfolgung einleiten könnte. Bereits zuvor gab es Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes, der eine bessere Abwägung von Urheberrechtsschutz und Datenschutz einforderte.
Wie vollzog sich bislang die Praxis der Rechtsverfolgung?
Spektakuläre Hausdurchsuchungen in Privathaushalten, bei denen Polizeibeamte Hardware und raubkopierte DVDs in Waschkörben abtransportieren, finden zwar ein erhebliches Presseecho; sind aber in Deutschland in der täglichen Rechtspraxis die Ausnahme. Weitaus wahrscheinlicher war bislang eine zivilrechtliche Inanspruchnahme. Die Logistep AG war im Spätsommer 2005 das erste Unternehmen, das über ein Computerprogramm verfügte, mit dem die Suche nach illegal angebotenen urheberrechtlich geschützten Werken im Internet automatisiert werden konnte. Logistep bot diese Suchmöglichkeit dann als Dienstleistung den Rechtsinhabern an. Zur Ermittlung der Daten des Anbieters wurde in der Regel eine Strafanzeige erstattet, um von der Ermittlungstätigkeit von Staatsanwaltschaft und Polizei zu profitieren. Von Anfang an war aber beabsichtigt in erster Linie zivilrechtlich gegen die Anschlussinhaber vorzugehen.
Die Rechtslage ist jedoch nach wie vor im Fluss; insbesondere da das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngsten Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung dargelegt hatte, dass die Internetdienstanbieter die Daten ihrer Kunden nur bei dem Verdacht auf schwere Straftaten an Behörden weitergeben dürfen. Eine Urheberrechtsverletzung zählt üblicherweise nicht zum Katalog schwere Straftaten.
Wie verteidigt man sich gegen Abmahnungen?
Hat der Rechtsinhaber erst einmal eine tatsächliche oder vermeintliche Urheberrechtsverletzung ausgemacht und die Anschlussdaten in Erfahrung gebracht, flattert meist schnell eine Abmahnung ins Haus. Im Textbausteinsystem werden dem nicht selten verdutzten Anschlussinhaber dann erklärt, dass er vor Monaten „Filesharing“ betrieben habe. Nicht gerade selten hört der Briefempfänger diesen Begriff allerdings zum ersten mal, weil der Anschlussinhaber nicht notwendig mit dem Verletzer des Urheberrecht identisch ist, man denke nur an WLAN, an die eigenen Kinder, an Firmenanschlüsse, der häufig von zahlreichen Menschen genutzt wird etc. Dem Anschlussinhaber wird dann angeboten, dass dies Sache mit einer Einmalzahlung von vielen tausend Euro sein bewenden haben könne. Natürlich soll damit eine gewisse Einschüchterung erreicht werden; damit der Anschlussinhaber zahlt, auch wenn ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Schadensersatz durchaus fraglich sein könnte.
In nicht wenigen Fällen ist bereits die Beweislage, der oftmals in reinen Massenverfahren angeschriebenen alles andere als eindeutig und natürlich spekulieren die Absender darauf, dass ein großer Teil der Angeschriebenen ohne Protest zahlt. Schon aufgrund der Schwierigkeit, den tatsächlichen Verantwortlichen für die „Filesharing“-Aktivitäten zu benennen, wird fast immer der Anschlussinhaber angeschrieben. Ob die Kampagne der „Eltern haften für ihre Kinder“ wirklich zutrifft, ist jedoch eine Frage des Einzelfalles. Pauschal trifft dieser Satz jedenfalls nicht zu. Es ist Sache des Anspruchstellers, den behaupteten Sachverhalt zu beweisen. Letztendlich muss er auch darlegen, welche Person die Urheberrechtsverletzung begangen haben soll. Ob der geltend gemachte Vorwurf plausibel genug ist, um eine Inanspruchnahme zu rechtfertigen, bleibt Sache des Einzelfalls.
Fazit ist, dass die meisten der derzeit noch existierenden Tauschbörsen in der Illegalität arbeiten. Neben den Risiken in Form von Viren, Würmern und anderen Schadprogrammen, die einfach aus der Menge und der oft zweifelhaften Herkunft der zu öffnenden Dateien resultieren, besteht gegenwärtig grundsätzlich die reale Gefahr einer Strafanzeige oder einer zivilrechtlichen Abmahnung.
Ebenso bleibt festzuhalten, dass man den geltend gemachten Ansprüchen nicht völlig hilflos gegenübersteht. Mit anwaltlicher Hilfe gelingt es oft, den nicht selten überzogenen Ansprüchen zu begegnen. Allerdings erfordert dies eine zügige Reaktion und die Inanspruchnahme rechtlicher Beratung von Anfang an.