Finanzgericht Münster sieht Pokergewinne als steuerpflichtig an - Bundesfinanzhof muss endgültig entscheiden
Welcher Sachverhalt liegt zu Grunde ?
Im Anschluss an einen Zeitungsbericht hatte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (StrafaFA) den Verdacht, dass der bisher bei ihm steuerlich nicht geführte regelmäßig Poker spielende Kläger Einnahmen aus Kapitalvermögen nicht erklärt hatte. Das zuständige Finanzamt forderte den Kläger daher im Juli 2007 zur Abgabe einer Steuererklärung für das Jahr 2006 auf. In der daraufhin eingereichten Steuererklärung gab der Kläger seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als T an. Zugleich teilte er auch mit, er sei kein Berufspokerspieler. In der daraufhin vom Finanzamt vorgenommenen und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigte das Finanzamt keine Einnahmen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers als Pokerspieler.
2009 wurde gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Verkürzung der Einkommensteuer für das Jahr 2007 eingeleitet. Das StrafaFA begann eine Fahndungsprüfung, die u. a. die Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 2005 bis 2007 zum Gegenstand hatte. An diesem Tag wurde auch ein durch das Amtsgericht erlassener Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vollzogen. Im Verlauf der Durchsuchung wurde eine Aufstellung aufgefunden und beschlagnahmt, die offensichtlich vom Kläger selbst erstellt ist. Diese Aufstellung beinhaltet die Höhe der Spielgewinne des Klägers aus der Teilnahme an Pokerturnieren sowie die damit im Zusammenhang stehenden Startgelder, Trinkgelder, Reisekosten und die an seine Staker abgeführten Gewinnbeteiligungen.
Die angeführten Pokerturniere und die daraus folgenden Spielgewinne entsprechen weitgehend den Angaben zum Kläger in einer im Internet abrufbaren Rangliste für professionelle Pokerspieler. Es handelt sich wahrscheinlich um die Hendon Mob Rangliste.
Das StrafaFA stufte die Betätigung als Pokerspieler als gewerbliche Tätigkeit ein und schätzte die Einkünfte aus der Teilnahme an Poker-Turnieren auf Grundlage der vom Kläger erstellten und im Rahmen der Hausdurchsuchung aufgefundenen Aufstellung. Für die außerhalb von Poker-Turnieren in Spielcasinos erzielten Gewinne schätzte das StrafaFA pauschal einen Gewinn.
Das Finanzamt erließ daraufhin einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuerfestsetzung und setzte am selben Tag erstmalig Einkommensteuer für die Jahre 2005 und 2007 sowie mit Bescheiden vom 26.02.2011 erstmalig Gewerbesteuer-Messbeträge für die Jahre 2005 bis 2007 fest.
Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Hiergegen erhob der Kläger Klage beim Finanzgericht Münster.
Welche Argumente brachte der Kläger gegen die Steuerfestsetzung vor ?
Mit seiner Betätigung als Pokerspieler sei er keiner gewerblichen Tätigkeit nachgegangenPokergewinne seien schon deshalb nicht steuerbar, weil Schätzungen zufolge 95 % der Spieler beim Online-Poker Geld verlieren. Pokergewinne unterlägen nicht der Einkommensteuer, weil sie nur aufgrund eines Glücksspiels erzielt seien. Auch der geübte Spieler sei in einer Turniersituation vorwiegend vom Glück, nämlich von den ihm zugteilten „Händen“, abhängig, was sich auch daran zeige, dass seit 1991 kein Turnierspieler das „World Series of Poker Main Event“ zwei Mal habe gewinnen können, sondern regelmäßig „Newcomer“ gewinnen würden. Dass Spielgewinne aus dem Pokerspiel generell der Einkommensteuer unterworfen würden, widerspräche dem Prinzip, Steuerpflichtige entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu besteuern. Denn in den meisten Fällen ergäben sich aus dem Pokerspiel Verluste.
Selbst wenn die Betätigung als Pokerspieler eine gewerbliche Tätigkeit sein könne, sei jedenfalls er mit seiner Spieltätigkeit nicht gewerblich tätig gewesen. Denn neben seiner angestellten Vollzeitbeschäftigung und seinen Freizeitaktivitäten habe er sich dem Glücksspiel lediglich als Hobby gewidmet. Er --der Kläger-- sei aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit und seiner Fachausbildung gar nicht in der Lage gewesen, nebenberuflich ein Gewerbe auszuüben. Lediglich nach einem glücklichen Turniergewinn habe er sich für eine Auszeit von der Arbeit entschlossen.
Anders als der Kläger in dem vom BFH in BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48 entschiedenem Fall betreffend die causa "Eduard Scharf" habe er --der Kläger-- nur an Turnieren mit Buy-ins zwischen 500 und 800 US-Dollar bzw. Euro und nicht regelmäßig an großen, auch international ausgetragenen Turnieren mit hohen Buy-ins teilgenommen. Nicht vergleichbar sei auch seine mediale Präsenz mit derjenigen des Eduard Scharf, da über ihn --den Kläger-- nicht deshalb berichtet worden sei, weil er ein „guter Pokerspieler“ gewesen sei, sondern weil er bei dem Turnier eine Menge Glück gehabt habe.
Zudem habe seine Spieltätigkeit nicht den Bereich der privaten Vermögensverwaltung überschritten, denn er unterhielt kein eigenes Büro, habe keine Hilfskräfte beschäfigt, verfüge über keine geschäftliche Organisation etc.
Wie argumentierte das Finanzamt ?
Der Kläger sei als Pokerspieler nachhaltig gewerblich tätig geworden. Er habe in der Zeit zwischen Aufnahme und Aufgabe dieser Tätigkeit einen Totalgewinn erzielt und mit seinen Stakern "sogar" Gewinnbeteiligungen vereinbart. Er sei also aktiv werbend für seine Dienstleistung in Form von Gewinnbeteiligungen tätig geworden. Auch habe der Kläger seine Arbeitnehmertätigkeit -wenn auch nur vorübergehend-- aufgegeben, um dem Pokerspiel nachzugehen und sich so den Lebensunterhalt zu sichern. Dass der Kläger durchschnittlich lediglich 15 Stunden wöchentlich gepokert habe, müsse aufgrund der signifikant hohen Bareinzahlungen auf dessen Konto, die nur aus dem Pokerspiel stammen könnten, angezweifelt werden. Außerdem habe der Kläger wiederholt an Pokerturnieren teilgenommen und sei nach außen hin nicht als Amateur-Pokerspieler aufgetreten. Auch sage ein Zeitungsbericht über ihn das Gegenteil. Da hier schon früher von einer Wiederholungsabsicht auszugehen sei, seien spätere nur vereinzelte Betätigungen unschädlich. Eine nachhaltige Betätigung könne nicht rückwirkend entfallen, weshalb die spätere behauptete Aufgabe seines Pokerspiels unerheblich sei. Überdies habe der Kläger einen letztlich erzielten Totalgewinn angestrebt. Durch die von ihm besuchten Pokerturniere habe der Kläger seine spielerischen Fähigkeiten "öffentlich dargeboten", wofür ihm als Entgelt ein von seiner Platzierung abhängiges Preisgeld in Aussicht gestellt worden sei. Auch habe der Kläger den Bereich privater Vermögensverwaltung überschritten, weil seine Spieltätigkeit wegen der vorübergehenden Nichtausübung seiner angestellten Tätigkeit nach der Verkehrsanschauung dem Bild eines Gewerbetreibenden entsprochen habe.
Wie entschied das Finanzgericht Münster ?
Das Finanzgericht Münster gab dem Finanzamt Recht. Der Kläger erzielte jedenfalls mit seiner Tätigkeit als Kartenspieler bei Turnierpokerveranstaltungen und bei „Cash Games“ (u. a. „Black Jack“) in Spielcasinos Einkünfte aus Gewerbebetrieb deren Höhe das Finanzamt zutreffend ermittelt habe. Der Kläger habe als Kartenspieler selbständig (auf eigene Rechnung mit Unternehmerrisiko und "in eigener Verantwortung" sowie nicht weisungsgebunden und sich die Spiele selbst aussuchend) und nachhaltig (mit realisierter Wiederholungsabsicht mit dem Ziel eine ständige Erwerbsquelle durch sein Pokerspiel zu erzielen).Denn der Kläger habe in den Streitjahren im Rahmen seiner Spieltätigkeit - was er nicht abgestritten habe - an mehr als 29 Turnieren - also wiederholt-- teilgenommen und hierbei "verschiedentlich Spielgewinne erzielt".
Daraus, dass er seine normale Berufstätigkeit in der Zeit von 10/06 bis 03/08 einstellte und nicht ersichtlich sei, wovon er ansonsten seinen Lebensunterhalt bestritt, lasse sich schließen, dass er mit seinen Pokergewinnen seinen Lebensunterhalt bestreiten wollte.
Er habe zudem als Kartenspieler in sämtlichen von ihm gespielten Varianten mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt.Dies ergebe sich daraus, dass jeder Teilnehmer eines Kartenspiels gewinnen möchte und dies prinzipiell einkommensteuerrechtliche Relevanz habe, wenn bei einem Kartenspiel die Chance auf die Erzielung eines Geldgewinns bestehe.
Zudem habe der Kläger nach Abzug seiner Aufwendungen ein positives Ergebnis angestrebt und auch erzielt.
Aus den vorgenannten Gründen greift auch der Einwand des Klägers nicht durch, bei dem Pokerspiel fehle es an der Gewinnerzielungsabsicht, weil Schätzungen zufolge 95 % der Spieler beim Online-Poker Geld verlören.
Der Kläger sei ein Spieler, der danach strebte, Gewinne zu erzielen. Nur dieser subjektive Aspekt sei bei Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht relevant. Daher verstoße die Besteuerung der Spielgewinne auch nicht gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Der Kläger habe sich zudem bei den Turnierpokerveranstaltungen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, nämlich dem Verkehrskreis der Turnierpokerspieler, beteiligt. Er habe seine spielerischen Fähigkeiten öffentlich dargeboten und hierfür sei ihm als Entgelt ein von seiner Platzierung abhängiges Preisgeld in Aussicht gestellt worden.
Bei den Turnierpokerspielen, an denen er teilnahm, handelte es sich nach Auffassung des Gerichts nicht um reines Glücksspiel, bei dem mangels Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung keine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr anzunehmen sei. Denn bei Pokerturnieren, die "über mehrere Runden ohne die Möglichkeit des Abbruchs unter Mitnahme von Gewinnen gespielt werden", überwiege die Geschicklichkeitskomponente.
Turnierpokerspiele seien aufgrund wissenschaftlich-mathematischer Untersuchungen bzw. praktischer Tests schon bei einem Durchschnittsspieler als Spiele einzuordnen sind, bei denen nicht der Zufall ausschlaggebend sei, weil in praktischen Tests Durchschnittsspieler die zufällig handelnden Spieler signifikant schlagen, da der Ausgang des Pokerspiels nicht nur vom Glück abhänge, sondern auch von den Fähigkeiten, Kenntnissen und dem Grad der Aufmerksamkeit des Spielers, weil gute und geübte Pokerspieler ihre Fähigkeiten nutzen, um Verluste bei schlechten Karten zu minimieren und Gewinne bei guten Karten zu maximieren und da ein in guter Pokerspieler zudem über strategische Kenntnisse verfügt, um abzuschätzen, ob schlechte Karten dennoch zum Sieg genügen können und weil auch der durchschnittliche Texas Hold´em Pokerspieler in der Lage sei, seine Fähigkeiten und Kenntnisse so einzusetzen, dass sie vorrangig entscheidend für Sieg oder Niederlage seien.
Selbst wenn für die "Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" nicht auf den Durchschnittsspieler, sondern auf einen Spieler mit darüber liegenden Fähigkeiten abzustellen sein sollte, so lägen jedenfalls die Skills/Fähigkeiten des Klägers über denjenigen eines Durchschnittsspielers unter anderem da der Kläger aufgrund seiner Teilnahme an Turnieren in verschiedenen Städten und Ländern die dafür notwendigen finanziellen Mittel und die entsprechende Zeit (er war zeitweise offiziell erwerbslos) aufwendete.
Zudem verfüge der Kläger anders als ein bloßer Durchschnittsspieler über ein profundes Wissen über die Mechanismen des Turnierspiels, leitete hieraus "allgemeingültige Regeln" her und teilte diese sogar gegenüber den Medien mit. Des Weiteren belegt die gegenüber einem Durchschnittsspieler herausragende Position des Klägers, dass über ihn wiederholt in den Medien berichtet wurde.
Außerdem gewann er zumindest zwei hoch dotierte Turniere sowie häufig nennenswerte Preisgelder, spielte an VIP-Tischen ohne Limit, wurde während eines Turniers vom TV begleitet, demonstrierte gegenüber der Redaktion einer Zeitung das Pokerspiel und verfügte als bekannte Größe in dem Verkehrskreis der Kartenspieler über ein Pseudonym.
Zudem seien - wie er wusste- psychologisches Geschick wichtig wie auch das Ausspähen von fremden und das Verbergen eigener Tells. Diese Erkenntnisse habe der Kläger --wie aus seinen tatsächlich erzielten Preisgeldern folge-- auch angewandt und mithin erfolgreicher und professioneller als ein Durchschnittsspieler praktiziert.
Aber auch wenn es sich bei dem Pokerspiel um ein reines Glücksspiele handeln würde, stünde dies einer Beteiligung am "allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" nicht entgegen.
Stelle sich die Chance auf die Erlangung des Spielgewinns als "Gegenleistung für die Teilnahme am Kartenspiel" in einem Spielcasino dar, kommt es für die Beantwortung der Steuerbarkeit des tatsächlich erzielten nicht darauf an, wie groß die Gewinnchance ist, so das Finanzgericht Münster.
"Das Vorliegen eines Leistungsaustausches (Öffentliche Darbietung der spielerischen Fähigkeiten) und das darin liegende aktive Verhalten des Klägers gegenüber den übrigen Mitspielern (dem Verkehrskreis der Mitspieler) würde die bei einem reinen Glücksspiel fehlende Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr überlagern und der Kläger würde --anders als der Spieler eines in einem rein privaten Kreis stattfindenden Kartenspiels-- die Stellung eines Beteiligten am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erlangen."
Zugleich überschreite das vom Kläger unternommene Kartenspiel auf Turnierpokerveranstaltungen auch den Rahmen einer "privaten Vermögensverwaltung".
Die Teilnahme des Klägers an Turnierpokerveranstaltungen enstpreche im Rahmen bei Gesamtbetrachtung nach der Verkehrsauffassung derjenigen eines Gewerbetreibenden und nicht derjenigen einer privaten Vermögensverwaltung.
Denn der Kläger befriedigte nicht nur seine privaten Spielbedürfnisse gleich einem Hobbyspieler, sondern er setzte seine eigenen Fähigkeiten vergleichbar einem berufsmäßigen Pokerspieler ein, so das Finanzgericht Münster.
Auch die sonstigen Spielgewinne aus der Teilnahme an sonstigen Kartenspielen in Spielbanken („Cash Games“, u. a. „Black Jack“) seien als Betriebseinnahmen des Klägers aus seiner gewerblichen Tätigkeit zu erfassen. Denn ein wirtschaftlicher Zusammenhang sei hier gegeben weil Gegenstand der gewerblichen Erwerbstätigkeit des Klägers jedenfalls das Turnierpokerspiel in Spielbanken war und die in den Spielbanken sonst erzielten Einnahmen einen "örtlichen und sachlichen Zusammenhang zum Gewerbebetrieb des Klägers aufweisen".
Für den sachlichen Zusammenhang spreche auch, dass der Kläger durch seine Teilnahme an weiteren Spielen in Spielbanken "seine spielerischen Fähigkeiten trainierte und weitere Erfahrungen sammelte" und "weil der Kläger außerhalb von Turnieren auch an VIP-Tischen spielte, er seinen VIP-Status ... jedenfalls auch durch seine erfolgreichen Platzierungen bei den verschiedenen Turnierpokerveranstaltungen erlangte".
Hinsichtlich der Höhe der gewerblichen Einkünfte bestehe eine Schätzungsbefugnis des Finanzamtes. Denn nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann.
Hier habe der Kläger bei seiner Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG gegen die ihm obliegende Pflicht verstoßen, seine Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch entsprechende Aufzeichnungen einschließlich Belegsammlung oder im Wege einer geordneten Belegablage zeitnah so festzuhalten, dass das Finanzamt diese auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen konnte, was einen gravierenden Verstoß gegen die gesetzlichen Aufzeichnungspflichten darstelle, der für den bargeldintensiven Betrieb des Klägers zu (Hinzu-)Schätzungen berechtige, so das Finanzgericht Münster.
Was ist von der Argumentation des Finanzamts & der Finanzrichter zu halten?
Die Argumentation sowohl von Finanzamt als auch vom Finanzgericht wirkt lebensfremd und konstruiert. Es wird versucht aus jedem Sachverhaltselement ein Argument pro Steuerpflichtigkeit zu konstruieren.
Zum Beispiel ist es üblich, dass wegen der hohen Varianz in Verbindung mit hohen Turnier-Buy´ins Spieler gestakt werden und sich teilweise sogar direkte Konkurrenten desselben Pokerturniers gegenseitig staken. Daraus ein Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit zu sehen, ist lebensfremd. Wenn von gewerblicher Tätigkeit ausgegangen wird, müsste doch eher von Seiten des Finanzamtes argumentiert werden, dass der nach maximalem Profit strebende gewerbliche Spieler den vollen Gewinn einstreichen und ihn nicht mit seinen Stakern teilen möchte und sich das Turniereintrittsgeld wegen seiner gewerblichen Tätigkeit alleine leisten kann - anders als manch Freizeitspieler.
In der Praxis wird zudem in aller Regel nicht um Gewinnbeteiligungen "geworben" sondern Spieler werden direkt angesprochen, ob sie Anteile von sich veräußern, da Spekulanten auf eine gute "Wette"(ähnlich einem Pferderennen) oder Mitspieler auf eigene geringere Varianz hoffen ähnlich einem Swapgeschäft.
Konstruiert wirkt auch das Argument, der Kläger sei nach außen nicht wie ein Amateurspieler aufgetreten. Es ist verwunderlich, wie sich die Finanzbeamten eine solche Abgrenzung vorstellen.
Auch nicht gewerbliche Spieler können sich "nachhaltig" und "mit Wiederholungsabsicht" als Pokerspieler zur Befriedigung des Spieltriebes und in "Totalgewinnerzielungsabsicht" betätigen und es liegt in der Natur der Sache, dass die spielerischen Fähigkeiten bei einem Pokerturnier "öffentlich dargeboten" werden und Spielern als Entgelt ein von ihrer "Platzierung abhängiges Preisgeld in Aussicht gestellt" wird, und es ist davon auszugehen, dass wirklich niemand mit der Absicht spielt, einen Verlust zu erzielen.
Zudem spielen auch nicht gewerbliche Spieler "selbständig" auf eigene Rechnung und "nicht weisungsgebunden" und auch diese suchen sich die Spiele selbst aus. Wenn ein Freizeitspieler z.B. Online spielt, kann er bereits an einem Wochenende locker 29 Turniere spielen. Die Argumentation, der Kläger habe in den StreitJAHREN im Rahmen seiner Spieltätigkeit an mehr als 29 Turnieren teilgenommen, klingt wie ein blanker Hohn.
Auch nicht gewerbliche Spieler können "nach Abzug ihrer Aufwendungen" ein positives Ergebnis erzielen. Etliche Freizeitspieler sind bei einen oder mehreren kostenpflichtigen Trainingsites angemeldet oder kaufen sich Pokerkoffer oder Trackingprogramme wie Holdem Manager 2 oder Pokertracker 4. Auch dieses Argument pro Vorliegen eines Gewerbes überzeugt nicht.
Die hohe Varianz beim Turnierpoker spricht zudem dagegen, dass dauerhaft in Gewinnerzielungsabsicht gespielt werden kann. Die meisten gewerbeschaffenden Pokerspieler spielen Cash-Games (und höchstens gelegentlich Turniere) , da dort die Varianz deutlich niedriger ist, bereits aus dem Grunde, dass Blinds nicht den eigenen Stack "auffressen" können und Spieler nicht genötigt werden, alles zu riskieren in marginalen Situationen.
Es darf bezweifelt werden, dass bei Pokerturnieren, die "über mehrere Runden ohne die Möglichkeit des Abbruchs unter Mitnahme von Gewinnen gespielt werden" die Geschicklichkeitskomponente überwiege. Gerade Freizeitspieler zieht es überwiegend zu Turnieren da dort ein gut laufendes Turnier zu sehr hohen Gewinnen führen und Profis nicht geduldig wegen der konstant und immer schneller ansteigenden Blinds die Freizeitspieler ausspielen können. Da hilft auch kein Ausspähen von fremden und das Verbergen eigener Tells.
Beim Schach beispielsweise hat ein unerfahrener Spieler keine Chance gegen einen Großmeister und beim Turnierpoker ist das Gegenteil der Fall. Dies ist auch der Grund, warum Turnierpoker sich allseits solch großer Beliebtheit erfreut.
Es trifft nicht des Pudels Kern, wenn argumentiert, dass geübte Pokerspieler ihre Fähigkeiten nutzen, um Verluste bei schlechten Karten zu minimieren und Gewinne bei guten Karten zu maximieren und abschätzen können, ob schlechte Karten dennoch zum Sieg genügen können. Gerade geübte Spieler nehmen nämlich ein hohes Risiko in Kauf, sobald sie nur noch unter 30 BB Turnierchips haben, da diese wegen der toplastigen Payoutstruktur auf Sieg spielen, und nicht um zu überleben oder um die Preisränge zu erreichen.
Schwach ist auch das Argument, dass die Fähigkeiten des Klägers über denjenigen eines Durchschnittsspielers lägen unter anderem da der Kläger aufgrund seiner Teilnahme an Turnieren in verschiedenen Städten und Ländern die dafür notwendigen finanziellen Mittel und die entsprechende Zeit (er war zeitweise offiziell erwerbslos) aufwendete. Gerade auch die größten nicht gewerblichen Verlierer reisen viel und investieren viel Zeit, in der Hoffnung durch einen "Glücksshot" die vergangenen Verluste auszugleichen.
Dass über den Kläger medial berichtet wurde, stellt sicherlich eine Ausnahme dar im Vergleich zur Vielzahl von regelmäßiger Turnierpokerspielern aber dies ist auch kein überzeugendes Argument , da gerade über nicht prominente - wie John Hesp - oder prominente - wie Rafael Nadal - Freizeitspieler auch häufg berichtet wird.
Nicht ansatzweise überzeugend ist zudem , dass Casino-Turnierspieler -anders als die Spieler während eines Home Games - "die Stellung eines Beteiligten am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erlangen." Vielleicht sollten die Finanzrichter einfach einmal ein öffentliches Pokerturnier besuchen und dabei diese Zeilen reflektieren.
Auch überschreiten nicht eimal regelmäige Turnierpokerspieler den Rahmen einer "privaten Vermögensverwaltung". Es ist mehr als fragwürdig, warum ein Zubrot aus der Erzielung von (wegen der hohen Varianz „unzuverlässigen“) Turnierpokergewinnen nicht der Verwaltung eigenen Vermögens dienen soll, dies aber anders gehandhabt wird bei der regelmäßigen Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz.So ist bei der Überlassung von Wohnräumen eine gewerbliche Tätigkeit nur anzunehmen, wenn die Tätigkeit eine dem Beherbergungsbetrieb vergleichbare Organisation bedingt. Eine solchen Organisation ist nicht einmal bei den bekanntesten Pokerspielern weltweit erforderlich, welche im Regelfall im wahrsten Sinne des Wortes "Einzelkämpfer" sind.
Es handelt sich nach alledem um ein in jederlei Hinsicht nicht überzeugendes Urteil. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesfinanzhof (BFH) dies erkennt und die richtigen Schlüsse zieht.
Wurde die Revision zugelassen und wie lauten die gerichtlichen Aktenzeichen?
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
Finanzgericht Münster 14 K 1370/12 E,G
Bundesfinanzhof X R 34/16