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Fragen zur Verjährung fehlerhafter Zinsabrechnungen

In vielen Kreditverträgen und den dazugehörigen Geschäftsbedingungen der Banken finden sich immer noch Zinsanpassungsklauseln, die nicht den Anforderungen standhalten, die der Bundesgerichtshof inzwischen von variablen Zinsanpassungsklauseln fordert. Diese Anforderungen an die Gültigkeit von Zinsanpassungsklausel gelten im Gegensatz zu einer vor allem im Schrifttum vertretenen Auffassung auch im Verhältnis zu Unternehmern. Gerade dort haben variable Zinsklauseln ihre eigentliche Bedeutung, denn vor allem im Bereich der Betriebsmittelkontokorrentkredite können sich schon minimale Abweichungen zwischen abrechenbarem Zinssatz und abgerechneten Zinssatz über die Jahre hinweg zu gewaltigen Beträgen auftürmen. Abgesehen von den Anforderungen an die tatsächliche und rechtliche Darlegung und Geltendmachung dieser rechtswidrig erlangten Beträge soll es hier um eines der Hauptargumente der Banken bei der Abwehr der Forderung gehen: das Argument der Verjährung.

Übersicht:

Wie entsteht die Einrede der Verjährung der Banken?

Angenommen der Bankkunde legt – auch mittels eines umfassenden privaten Gutachtens eines anerkannten Zins- und Kontenprüfers – seinen Rückforderungsanspruch überzeugend dar, wird ihm die Bank früher oder später die Einrede der Verjährung entgegenhalten und damit vermeintlich einen Großteil der Forderung beseitigen. Erfahrungsgemäß fordert der Kreditnehmer nämlich einen Betrag zurück, der sich über mehrere Jahre und teilweise Jahrzehnte aufsummiert hat. Fehlerhafte Zinsabrechnungen finden sich seit Mitte der 1990er oder sogar 1980er – damals unter der ausdrücklichen Billigung des Bundesgerichtshofs . Ergibt sich auch der größte Teil der Rückforderungen aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase der letzten Jahre, so wird dennoch der Großteil der Forderung länger als drei Jahre zurückreichen. Damit stellt sich in der Tat die alles entscheidende Frage, wie es mit der Verjährung einer Forderung aus einer fehlerhaften Zinsabrechnung steht.

Wie argumentieren die Banken?

Regelmäßig wenden die Banken ein, die kenntnisabhängige Verjährungsfrist bei einer fehlerhaften Zinsabrechnung betrage drei Jahre. Damit sei jedwede Forderung vor der kenntnisabhängigen Verjährung durch die Erhebung der Einrede der Verjährung präkludiert. Dabei argumentieren die Banken an dieser Stelle sogar äußerst nah am Wortlaut des entsprechenden § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, der sogenannten kenntnisabhängigen Verjährung. Nach der Lesart der Banken entsteht der Anspruch auf die Rückforderung in dem Jahr, in welchem die Zinsen falsch abgerechnet wurden. Ebenso habe der Bankkunde immer Kenntnis von der Person des Schuldners, da er seine Bank ja kenne. Schließlich habe er auch immer die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, da er die tatsächlich abgerechneten Zinsen und auch seinen Vertrag in der Regel kenne oder jedenfalls kennen müsse. Diese Argumentation der Banken wird auch von einigen – vor allem erstinstanzlichen aber auch von höheren Gerichtsinstanzen teilweise gebilligt.

Wie ist die rechtliche Lage?

Abgesehen davon, dass der der Bankkunde verständlicherweise seine Bank und damit den Schuldner des Anspruchs kennt, trifft keine der anderen Tatbestandsvoraussetzungen in derartigen Fällen zu.

Zum einen ist schon die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, welche die Banken allzu leichtfertig behaupten, äußerst fragwürdig. Zwar genügt es in der Regel, wenn der Gläubiger die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt – auf eine zutreffende rechtliche Schlussfolgerung kommt es gerade nicht an –, dieser Umstand erfährt allerdings einige Durchbrechungen. So ist eine unübersichtliche und verwickelte Rechtslage ein Grund, in dessen Fall es ausnahmsweise auf die rechtliche Würdigung ankommt.

Im Falle der fehlerhaften Zinsabrechnung gilt dieser Grundsatz sogar verschärft. In der Regel werden Zinsanpassungsklauseln im Wege der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart. Damit hat der Darlehensnehmer, unterstellt er liest auch das Kleingedruckte aufmerksam, vorerst nur Kenntnis von der Existenz von bloßen Zinsanpassungsklausel. Auch hat der Darlehensnehmer Kenntnis davon, dass der Darlehensgeber auf Grundlage dieser Klausel die Zinsen abrechnet. Das sind die Tatsachen, von denen der Darlehensnehmer Kenntnis hat.

Dass die Zinsanpassungsklausel rechtlich unwirksam ist, ist jedoch eine rechtliche Würdigung auf die es nach dem Gesetz schon gar nicht ankommt. Jedenfalls ist die Rechtslage verwickelt und kompliziert, da der Bundesgerichtshof selbst erst eine einzige Zinsanpassungsklausel für unwirksam erklärt hat. Demzufolge ist bereits die Erkenntnis, dass die Klausel unwirksam ist eine rechtliche Erkenntnis, die von einem nicht versierten Unternehmen nicht gefordert werden kann. Demzufolge liegt die Kenntnis erst dann vor, wenn ein Gericht die konkrete Klausel für unwirksam hält.

Wie entscheiden die Gerichte?

Diese sehr dogmatische Ansicht dürfte vor Gericht jedoch nur schwer vorzutragen sein. Sie kann jedoch immer als Hilfsargument mit einfließen. Im Regelfall sehen die Gerichte den Fokus eher in der Kenntnis vom Rückforderungsbetrag. Hier sehen sogar die Gerichte ein, dass eine solche komplexe finanzmathematische Berechnung in den seltensten Fällen vom Darlehnsnehmer selbst durchgeführt werden kann. Daher lassen die Gerichte die kenntnisabhängige Verjährung meist an diesem Punkt scheitern.

Wann entsteht der Rückforderungsanspruch der Zinsen und warum ist das wichtig?

Viel spannender ist allerdings die Rechtsfrage, ob der Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Zinsen überhaupt entstanden ist. Ein Anspruch im Sinne des Verjährungsrechts gilt erst dann als entstanden, wenn er forderbar und gegebenenfalls selbstständig gerichtlich einklagbar ist.

Hierzu verhalten sich die Gerichte bisher nicht. Der Vorsitzende des für das Bankrecht zuständigen 11. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes Ellenberger weist allerdings in einem Aufsatz zu fehlerhaften Zinsabrechnungen darauf hin, dass der Anspruch überhaupt erst mit der Rechtskraft des Urteils entsteht. Er bezieht sich hierbei auf seine Kommentierung im Palandt. Das Argument hat aus Sicht des Darlehensnehmers einen gewissen Charme. Erst das Urteil setzt den Leistungsanspruch überhaupt fest, gegebenenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB. Damit steht aber auch erst zu diesem Zeitpunkt die Überzahlung des Darlehensnehmers fest. Damit entsteht der Anspruch erst dann, wenn diese gerichtliche Festlegung für die Vertragsparteien bindend wird. Nach dieser Ansicht ist eine Verjährung bei fehlerhaften Zinsberechnungen nahezu ausgeschlossen.
Eine endgültige Klärung wird zukünftig nur der Bundesgerichtshof geben können. Allerdings gibt der Aufsatz von Ellenberger – immerhin der Vorsitzende des sogenannten Bankensenats – eine erste Richtung vor, wie eine solche Entscheidung künftig möglicherweise ausfallen könnte. Das Argument Ellenbergers ist von einem rein dogmatischen Standpunkt nicht von der Hand zu weisen. Erst wenn der Zinssatz überhaupt feststeht, steht auch fest, was gefordert werden darf. Erst daraus ergibt sich, wie hoch die Überzahlung war. Dementsprechend kann auch der Anspruch auf Rückzahlung erst mit der Rechtskraft des Urteils – gegebenenfalls erst mit Rechtskraft des Revisionsurteils – anfangen zu verjähren.

Was ist bei Zinsen, die vor der Schuldrechtsreform gezahlt worden sind, zu beachten?

Darüber hinaus verjähren Zinsen, die vor der Schuldrechtsreform gezahlt wurden nicht in der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist, sondern in der früher sehr langen allgemeinen Verjährungsfrist von dreißig Jahren.

Gibt es Besonderheiten bei noch laufenden Kreditverträgen?

Vor allem bei noch laufenden Krediten verfängt das Argument der Verjährung nicht, solange nur der noch offene Darlehensbetrag die Rückforderung des Darlehenskunden übersteigt. Der Darlehensnehmer kann nämlich immer die Aufrechnung seines Anspruchs wegen fehlerhafter Zinsabrechnung und der sich hieraus ergebenden Zinsen mit der noch offenen Darlehensvaluta erklären. Der Aufrechnung kann die Einrede der Verjährung nämlich gemäß § 215 BGB nicht entgegengehalten werden, wenn sich die Ansprüche nur ein einziges Mal in unverjährter Zeit gegenüber standen.

Wichtig ist, dass die Forderung des Darlehensnehmers einredefrei und fällig war. Dies ist sie nach der Lesart der Banken im Zeitpunkt der Überzahlung der Fall. Diesem Anspruch muss ein lediglich erfüllbarer Gegenanspruch gegenüberstehen. Dies ist die Darlehensvaluta. Ein weit verbreiteter Irrtum besteht darin, dass der Gegenanspruch, mit dem der Darlehensnehmer aufrechnet, bereits fällig ist. Das ist jedoch nicht erforderlich. Der Gegenanspruch muss nur bestehen und erfüllbar sein. Dies ist bei der Darlehnsvaluta jedoch stets der Fall, denn die Rückzahlung des Darlehens ist die Hauptleistungspflicht des Darlehnsnehmers. Somit steht der gesamte noch offene Darlehensbetrag dem Anspruch auf Rückerstattung zu viel abgerechneter Zinser sich aufrechenbar gegenüber.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

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