Geldwäscherecht & Datenschutz: Müssen Rechtsanwälte ihre Mandanten wegen Geldwäsche anzeigen?
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wacht über die Einhaltung der Menschenrechte in denjenigen Staaten, die sich seiner Gerichtsbarkeit unterworfen haben. In einer Entscheidung vom 6. Dezember 2012 (Az. 12323/11) entschieden die Straßburger Richter, dass es mit dem Menschenrecht auf Privatsphäre (Artikel 8 EMRK) vereinbar sei, wenn ein Rechtsanwalt verpflichtet ist, einen Geldwäscheverdacht über seinen Mandanten anzuzeigen. ilex Rechtsanwälte beraten mittelständische Unternehmen in zahlreichen Compliance-Gebieten, u.a. auch im Geldwäsche-, Datenschutz- und Berufsgeheimnisträgerrecht und erklären die Folgen aus dem Urteil.
Gliederung
1. Der Fall
Der Fall spielt in Frankreich, wo Rechtsanwälte - wie in Deutschland auch - dem Geldwäscherecht unterliegen und verpflichtet sind, Mandanten zu melden, bei denen sie den Verdacht haben, dass diese mit Geld operieren, das aus Straftaten stammt. Ausnahmen gibt es selbstverständlich und unter bestimmten Voraussetzungen für Strafverteidiger. Hiergegen wendete sich der im Jahr 1947 in Paris geborene Rechtsanwalt Michaud. Er sah u.a. Artikel 8 der EMRK verletzt.
2. Konsequenzen für das Verhältnis Geldwäsche-, Datenschutz- und Berufsrecht
Es liegt auf der Hand, dass nunmehr zwischen dem Geldwäscherecht einerseits und dem Datenschutz- und anwaltlichen Berufsrecht andererseits ein Zielkonflikt besteht. Denn das Geldwäscherecht darf dazu zwingen, einen Geldwäscheverdacht mit Nennung der verdächtigten Person zu offenbaren, während das Datenschutz- oder gar das anwaltliche Berufsrecht dem entgegenstehen. Dieser Widerspruch entsteht jedoch nur auf den ersten Blick.
In datenschutzrechtlicher Hinsicht ist die Offenbarungspflicht gegenüber den Behörden wenig problematisch, da - soweit das deutsche Datenschutzrecht auf Rechtsanwälte in dieser Frage überhaupt anwendbar ist - gemäß § 4 Absatz 1 BDSG es jederzeit möglich ist, eine Pflicht zur Übermittlung von Daten gesetzlich zu regeln (§ 4 Absatz 1 BDSG).
Spannender ist schon die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht. Es steht außer Frage, dass Rechtsanwälte zum Schweigen verpflichtet sind. Ein Verstoß gegen die etwa in § 43a Absatz 2 Satz 1 BRAO geregelte Verschwiegenheitspflicht ist bei Strafe verboten (§ 203 Absatz 1 Nr. 3 StGB).
Wie soll sich also künftig ein Rechtsanwalt verhalten, der den Verdacht hat, dass sein Mandant mit Geld disponiert, das aus Straftaten stammt. Egal was er tut, ihm droht eine Strafe. Zeigt er es nicht an, folgt diese Strafe womöglich aus dem Geldwäscherecht; zeigt er seinen Verdacht an, folgt die Strafe möglicherweise
aus § 203 StGB. Ein Dilemma?
Das Problem ist nicht rechtlicher, sondern politischer Natur. In rechtlicher Hinsicht gilt, dass wenn eine Pflicht zur Meldung des Verdachts besteht, eine Strafbarkeit nach § 203 StGB ausscheidet, da die Offenbarung der Information dann gerechtfertigt ist.
Doch ist es wirklich so, dass es eine Pflicht zur Meldung eines Verdachts für die Anwälte gibt? Nur wenn diese Frage mit klar mit "JA" oder "NEIN" beantwortet werden kann, sind die Probleme gelöst. Und hier wird die Problematik politischer Natur, denn jetzt ist der Gesetzgeber gefragt, für Klarheit zu sorgen.
3. Fazit
Das Urteil des EGMR selbst statutiert keine Pflicht der Rechtsanwälte, einen Geldwäscheverdacht über einen Mandanten zu melden. Es bestätigt lediglich, dass wenn der Gesetzgeber eine solche Pflicht vorsieht, dies nicht gegen die EMRK verstößt.
Alle Berufsgeheimnisträger, also auch Ärzte, Steuerberater, betriebliche Datenschutzbeauftragte, Wirtschaftsprüfer usw. sollten sich fragen, wie sie mit diesem Problem umgehen. Solange der Gesetzgeber keine Lösung offenbar, ist nur eine fachkundige Betrachtung des Einzelfalls zielführend. Geheimnisträger-Compliance ist das Gebot der Stunde.