IT-Recht: Fluch oder Segen? Wie setzt man sich gegen falsche Bewertungen auf Online-Marktportalen zur Wehr
Die Möglichkeiten des Internets sind wie allseits bekannt unerschöpflich. Viele Unternehmer nutzen das World Wide Web als ihren Vertriebskanal Nummer Eins, indem sie ihre Produkte über Online-Marktplattformen wie eBay und Amazon anbieten. Dabei hat sich gezeigt, dass der potentielle Kunde sich seinen Vertragspartner im Wesentlichen nach den bisherigen Beurteilungen vergangener Geschäfte – also Bewertungen des Verkäufers durch alte Kunden – aussucht. Es leuchtet daher ein, dass bereits eine negative Bewertung wie zum Beispiel "UNVERSCHÄMTER Händler! Hier kaufe ich NIE MEHR" erhebliche wirtschaftliche Einbußen bis hin zur Existenzvernichtung mit sich bringen kann. Der Online-Händler ist jedoch nicht wehrlos. Der für diesen Themenkomplex zuständige Partner der Kanzlei ilex, Karsten Kietzmann, erläutert im Folgenden, in welchen Fällen es sich lohnt, gegen eine Bewertung vorzugehen und was dabei zu beachten ist.
Gliederung
1. Missbrauchsgefahr
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Möglichkeit der Bewertung von Dienstleistungen und Vertragspartnern im Internet ein wesentliches Element für den Erfolg des E-Commerce darstellt: Üblicherweise kennt man den Unternehmer nicht, mit dem man über das Internet in Kontakt tritt und verbindliche Verträge schließt. Der persönliche Kontakt, die Empfehlung, fehlt, wenn man zum Beispiel nach dem begehrten Kaufgegenstand googelt und sodann auf die Seite eines Online-Shops gelangt, der das Gesuchte anbietet. Die Erfahrungen anderer Käufer ist deshalb unverzichtbar für die eigene Entscheidung, ob man dem Verkäufer Vertrauen schenkt.
Was aber, wenn die Bewertung nur aus dem einen Grund erfolgt ist, dem Verkäufer zu Schaden? Grund für ein solches missbräuchliche Verhalten ist regelmäßig, dem Wettbewerber Kunden abspenstig zu machen und damit das eigene Unternehmen zu bevorteilen. Aus unserer Beratungspraxis sind uns auch Fälle bekannt, in denen ein Käufer einen Verkäufer durch die Androhung einer schlechten Bewertung zu einem ihm günstigen Verhalten nötigen möchte.
Solche Bewertungen zeichnen sich meist dadurch aus, dass sie sachlich schlichtweg falsch sind oder deren Inhalt unter der Gürtellinie ist. Auch hier ist dem Händler dringend zu raten, sich gegen die Bewertung zu wehren. Neben den hierdurch vergraulten Kunden ist es einfach auch nicht Sinn und Zweck der für das E-Commerce-Geschäft erforderlichen Bewertungen, den möglichen Kunden durch falsche oder beleidigende Bewertungen des Verkäufers zu täuschen.
2. Rechtslage
Hier muss zunächst unterschieden werden, ob es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt oder um ein Werturteil. Für den Fall, dass in der Bewertung Tatsachen behauptet werden, die nachweislich nicht der Wahrheit entsprechen, steht dem Online-Händler ein Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung zu. Wann aber ist eine Bewertung eine unwahre Tatsachenbehauptung? Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:
Herr Mustermann kauft bei Powerseller X über eine bekannte Internetauktions-Plattform eine nagelneue Digitalkamera für 500 €. Powerseller X liefert nach Eingang der Zahlung prompt (die Kamera geht Herrn Mustermann vier Tage nach Überweisung des Kaufpreises postalisch zu). Herr Mustermann bringt die Kamera drei Wochen später in seinem Urlaub in Afrika zum Einsatz und stellt fest, dass ihm die Handhabung zu kompliziert ist. In einer E-Mail an Powerseller X schreibt er, X möge die Kamera gegen Rückerstattung des Kaufpreises zurücknehmen, ansonsten würde Herr Mustermann eine negative Bewertung platzieren. Powerseller X – anwaltlich gut beraten – kennt seine Rechte. Da die Widerrufsfrist abgelaufen ist und Herr Mustermann innerhalb dieser Frist genügend Zeit gehabt hätte, die Kamera auf ihrer Handhabung hin zu überprüfen, weigert er sich, das Geschäft rückabzuwickeln. Gesagt, getan! Powerseller X findet kurze Zeit später seine erste negative Bewertung, die wie folgt lautet: "Kaufte teure Digitalkamera. Lieferung erfolgte trotz rechtzeitiger Zahlung mehrere Wochen später. Nicht zu empfehlen!".
Der Inhalt der Bewertung entspricht insofern nicht den Tatsachen, als dort von einer mehrere Wochen dauernden Lieferung gesprochen wird. Die Bewertung kann deshalb mit Erfolg angegriffen werden. Dabei obliegt es dem Powerseller X, den Beweis anzutreten, dass die Lieferung nicht mehrere Wochen gedauert hat. Dabei wird es regelmäßig schon genügen, wenn er beweisen kann, wann er das Paket zur Abwendung an den Versanddienst aufgegeben hat, da üblicherweise mit einer Zustellung von Paketen in wenigen Tagen zu rechnen ist.
Auch die wahre Tatsachenbehauptung kann eine Rechtsverletzung darstellen. Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Vorgehen sind immer dann gegeben, wenn die Bewertung aber Informationen aus dem Bereich der Intim- oder Privatsphäre preisgibt. Auch insoweit besteht ein Unterlassungsanspruch.
3. Rechtslage bei einem Werturteil
Ein anderer Fall liegt vor, wenn die Bewertung ein Werturteil enthält. Grundsätzlich sind Werturteile durch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes gedeckt. Die Grenze des Grundrechtsschutzes ist aber erreicht, wenn ein Fall der so genannten Schmähkritik, die regelmäßig auch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellt, gegeben ist. Eine solche Bewertung läge vor, wenn in dem oben beschriebenen Fall der Käufer seine Bewertung wie folgt formuliert hätte: "Powerseller X ist ein dummes Schwein!" (man möge den Ton entschuldigen). Der Inhalt der Äußerung mag zwar der Meinung des Herrn Mustermann entsprechen. Da es sich aber um eine persönlichkeitsrechtsverletzende Schmähkritik handelt, muss Powerseller X diese Beleidigung nicht hinnehmen.
4. Wie geht man vor?
Dem durch die Bewertung Verletzten steht gegen den Äußerer ein Beseitigungsanspruch zu. Diesen kann er im Wege der einstweiligen Verfügung (vorläufiger Rechtsschutz) bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zunächst ohne ein aufwändiges Gerichtsverfahren durchsetzen. Sollte die Gegenseite außergerichtlich nicht einlenken, steht dem Händler der Weg zum Gericht offen. Sobald ein entsprechendes Urteil vorliegt, kann der Händler sein Recht auch ohne Mitwirken des Käufers durchsetzen: Der Betreiber der Internetauktionsplattform wird die Bewertung löschen, wenn ihm ein entsprechender Titel (Urteil) vorgelegt wird.
Hierbei ist aber zu beachten, dass nicht etwa die Löschung der Bewertung beantragt wird. Der Käufer kann die Bewertung üblicherweise nicht einseitig löschen. Hier ist vielmehr der Eingriff durch den Betreiber der Internetauktionsplattform erforderlich. Vielmehr muss beantragt werden, dass der Käufer das Internetauktionshaus auffordert, die unzulässige Bewertung zu löschen.
Für die Möglichkeit, den Anspruch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes geltend zu machen, ist zu beachten, dass hier kurze Fristen für die Geltendmachung des Anspruchs seit Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen gelten.