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IT-Recht: Hühnerhof zum Hühnerstall – Bewertungsportale im Internet

Möglichkeiten, Dienstleistungen im Internet zu bewerten, sind nicht mehr wegzudenken. Und ehrlich gesagt sind sie auch sehr hilfreich. Da ich meinen Vertragspartner im Internet nie persönlich kennen gelernt habe, kann ein Hinweis von zahlreichen Kunden von ihm die Entscheidung bringen, ob ich mich auf das Geschäft einlasse oder nicht. Bewertungen sind Fluch und Segen zugleich. Dies hat auch ein Hotelbetreiber erfahren müssen, dem das Oberlandesgericht Stuttgart (Az. 4 U 88/13) die Löschung einer Bewertung versagte.


Übersicht:

Hühnerhof oder Hühnerstall?

Der Hotelbetreiber Fleißig (der Name ist frei erfunden) staunte nicht schlecht: Ein langjähriger Stammkunde teilte ihm mit, dass sein Hotel im Internet als Hühnerstall bezeichnet wurde. Zudem beschwerte sich der unzufriedene Gast in seiner Bewertung über eine nicht besetzte Rezeption sowie eine schlechte Gastronomie. Hiergegen ging der Hotelbetreiber vor Gericht. Er wollte bewirken, dass die Bewertung gelöscht wird.

So oder so ähnlich mag sich der Fall zugetragen haben, den das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zu entscheiden hatte. Der Fall hatte seine besondere Würze darin, dass das Hotel den Namen „Hühnerhof“ trug, auf welchen die Bewertung anspielte, als sie den Vergleich zum „Hühnerstall“ zog.

Wo liegt die rechtliche Problematik?

Bei Bewertungen im Internet hängt die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch besteht oder nicht, davon ab, ob es sich um eine Äußerung im Bereich der Meinungsfreiheit handelt oder ob eine Tatsachenbehauptung vorliegt. Handelt es sich um eine Meinung, so ist die Äußerung zulässig, wenn die Grenze zur Schmähkritik – zum Beispiel durch beleidigende Äußerungen – nicht überschritten wird.

Liegt hingegen eine Tatsachenbehauptung vor, ist die Äußerung unbedenklich, wenn die Tatsache beweisbar wahr ist. Wie war es hier?

Der Hotelbetreiber vertrat die Auffassung, dass die Äußerung sich im Bereich der Schmähkritik befinden würde. Insbesondere die Wortverdrehung von „Hühnerhof“ in „Hühnerstall“ sei nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Dem hielt die Beklagte, die Betreiberin eines Bewertungsportales, entgegen, dass es sich bei der Bewertung um ein pointiertes/ironisches Wortspiel handele, das lediglich zum Ausdruck bringe, dass die Erwartungen des Gastes nicht erfüllt worden sein.

Das OLG folgte der erstinstanzlichen Entscheidung: Der Begriff „Hühnerstall“ stünde im maßgeblichen Zusammenhang mit der unter dieser Überschrift erfolgenden Hotelbewertung und sei deshalb noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Grenze zur Schmähkritik sei nicht erreicht.

Zwar seien durch die Verwendung des Begriffes „Hühnerstall“ die unternehmensbezogenen Interessen des Hotelbetreibers betroffen. Die Verwendung des beanstandeten Begriffes sei geeignet, das unternehmerische wie das betriebliche Ansehen des Betriebes in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und ihm damit wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Jedoch unterfalle die Bezeichnung „Hühnerstall“ dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz – der Meinungsfreiheit.

Das Gericht stellt heraus, dass die beanstandete Äußerung nicht aus dem Gesamtzusammenhang herausgenommen werden darf, sondern in dem betreffenden Kontext betrachtet werden müsse. Es unterstreicht dabei das hohe Gut der freien Meinungsäußerung. Deshalb müsse der Begriff der Schmähkritik auch eng ausgelegt werden. Bei Letzterer müsse die Diffamierung der Person im Vordergrund stehen. Das konnte das Gericht hier nicht erkennen.

Ist die Entscheidung richtig?

Die Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Das Recht der freien Meinungsäußerung soll gerade auch mit Mitteln der übersteigerten Polemik scharfe und auch gegebenenfalls abwertende Kritik zum Ausdruck bringen können. Gerade diese Stilmittel sind geeignet, an der Meinungsbildung mitzuwirken.

Letztlich müssen Bewertungen im Internet ausschließlich wahre Tatsachen oder Meinungsäußerungen, die durchaus zugespitzt sein können, enthalten, um Bestand zu haben. Das ist insbesondere für die Betreiber von Bewertungsportalen bzw. von Internetdienstleistungen, die die Bewertungen als Akquise Mittel führen Internetdienst vorsehen, relevant. Auch der so genannte Host-Provider kann als Störer in die Haftung genommen werden.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

ilex Rechtsanwälte – Berlin & Potsdam Yorckstraße 17, 14467 Potsdam Hohenzollerndamm 123, 14199 Berlin

Telefon +49 331 9793750
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