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Kirchengerichtshof der EKD: Keine Kündigung bei einer nur geringfügigen Störungen des Arbeitsverhältnisses

Möchte eine kirchliche Dienststelle im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland eine ordentliche Kündigung aussprechen, so bedarf dies der Mitbestimmung der kirchlichen Mitarbeitervertretung (MAV). Lehnt sie die Zustimmung ab, so kann die Dienststelle ein Kirchengericht anrufen. Der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland (KGH EKD) hat mit Beschluss vom 23.02.2012 (Az. KGH.EKD II-0124/T20-11) entschieden, dass eine geringfügige Störung für die soziale Rechtfertigung einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) nicht ausreicht.

 

 

 

 

Übersicht

 

 

 

Wie funktioniert die eingeschränkte Mitbestimmung bei der ordentlichen Kündigung?

Worum ging es? Genügt eine geringfügige Störung?

Kann vorangegangenes, aber bereits abgemahntes Fehlverhalten eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung rechtfertigen?

Fazit

 

 

 

 

 

Wie funktioniert die eingeschränkte Mitbestimmung bei der ordentlichen Kündigung?

 

Wenn eine evangelische, kirchliche Dienststelle gegenüber einem kirchlichen Beschäftigten eine ordentliche Kündigung aussprechen möchte, muss die kirchliche Dienststelle zunächst die Mitarbeitervertretung (MAV) nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD) beteiligen. Andernfalls ist die von der kirchlichen Dienststelle beabsichtigte Maßnahme unwirksam. Erfolgt die Einbeziehung der Mitarbeitervertretung (MAV) ordnungsgemäß, kann die Mitarbeitervertretung (MAV) innerhalb von zwei Wochen der Kündigung zustimmen, ihr widersprechen, eine mündliche Erörterung beantragen oder schweigen. Äußert sich die Mitarbeitervertretung (MAV) innerhalb von zwei Wochen nicht, gilt dies als Zustimmung zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung. Wird gegenüber der kirchlichen Dienststelle eine Erörterung beantragt, gilt die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung dann als erteilt, wenn die Mitarbeitervertretung (MAV) die Zustimmung nicht innerhalb von weiteren zwei Wochen nach Abschluss der Erörterung schriftlich und begründet verweigert. Die Mitarbeitervertretung kann ihre Zustimmung aber insgesamt nur dann verweigern, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt.

Im vorliegenden Fall, hatte der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland (KGH EKD) darüber zu entscheiden, ob es zulässig war, dass die Mitarbeitervertretung (MAV), die von einer Dienststelle zur Kündigung einer ihrer Mitarbeiter beantragte Zustimmung verweigert hat. Nach der Verweigerung der Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Mitarbeitervertretung, rief die kirchliche Dienststelle das Kirchengericht an und beantragte die Zustimmung zu ersetzen, da es keinen Grund der Mitarbeitervertretung gegeben habe, dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung zu verweigern. Letztlich wurde der Mitarbeitervertretung Recht gegeben. Die Entscheidung zeigt für kirchliche Arbeitgeber auf, dass die Gründe einer beabsichtigten Kündigung gut überlegt sein müssen und „Kleinigkeiten“ zur Störung des Arbeitsverhältnisses in der Regel nicht ausreichend sind.

 

Worum ging es? Genügt eine geringfügige Störung?

 

Die kirchliche Dienststelle hatte in erster Instanz bei der Schiedsstelle vorgetragen, dass nach einer Gesamtabwägung die Kündigung ihres Mitarbeiters gerechtfertigt sei, da dieser weder bereit noch in der Lage sei, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Der kirchliche Mitarbeiter habe entgegen interner Weisungen gehandelt und wiederholt Mails verschickt, die er in dieser Form nicht hätte versenden dürfen.

Im Sinne des Mitarbeitervertretungsgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD) hätte die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung dann nicht verweigern dürfen, wenn sie z.B. gegen eine arbeitsrechtliche Regelung verstößt. In Betracht kommt hier das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), nach welchem eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses für beide Vertragsteile angemessen und annehmbar erscheint (BAG, Urteil vom 31.05.2007 - 2 AZR 200/06 - NZA 2007, 922 m. w. N). Das dem Mitarbeiter vorgeworfene Verhalten muss demnach von einigem Gewicht sein, um als Kündigungsgrund zu taugen.

Der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland (KGH EKD) betonte in seiner Entscheidung, dass eine geringfügige Störung des Arbeitsverhältnisses gerade nicht ausreicht. Insbesondere sei der herangezogene Pflichtenverstoß offenbar von zu geringem Gewicht und belaste das Arbeitsverhältnis nur wenig. Außerdem hatte die besagte Mail keine Außenwirkung, welche die Dienststelle rechtlich hätten verpflichten können und haben auch innerbetrieblich zu keiner größeren Störung geführt. Demzufolge gab es keinen Kündigungsgrund und die Mitarbeitervertretung durfte ihre Zustimmung verweigern.

 

Kann bereits abgemahntes Fehlverhalten eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung rechtfertigen?

 

Der Mitarbeiter der kirchlichen Dienststelle wurde allerding schon in der Vergangenheit mehrmals verhaltensbedingt abgemahnt. Das weisungswidrige Versenden der Mail habe laut Dienststelle das Fass zum Überlaufen gebracht.

Hier betonte das Gericht, dass auf vorangegangenes Fehlverhalten zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung nicht zurückgegriffen werden kann, wenn dieses Verhalten bereits Gegenstand einer Abmahnung geworden war (vgl. BAG, Urteil vom 26.11.2009 - 2 AZR 751/08 - AP Nr. 61 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Die vorangegangenen Abmahnungen könne allerdings aufzeigen, dass bei einem wiederholten, gleichgelagerten Verstoß ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht mehr zuzumuten sei und insofern die Schwelle, die eine Kündigung rechtsfertigt, nun niedriger sei. Doch da es hier bereits am Kündigungsgrund fehlt, musste darüber nicht entschieden werden.

 

Fazit

 

Im kirchlichen Arbeitsrecht und im kirchlichen Mitbestimmungsrecht kommt es auf die Einhaltung formaler Anforderungen und auf die Einhaltung von Fristen an. Die Anforderungen sind höher, als beispielsweise im staatlichen Betriebsverfassungsrecht. Kirchliche Dienststellen, die sich im Rahmen von Kündigungssachverhalten von Anfang an rechtlich kompetent beraten lassen, haben bessere Chancen.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

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