NDR Info Recherche zeigt Details des Schufa Scorings - Welche Folgen hat dies?
Potsdam, 10. April 2014. Die Journalisten Peter Hornung und Benedikt Strunz berichten heute in ihrem Beitrag "Geheime Liste: Worauf die Schufa achtet" über neue Details zum Schufa Scoring. Hiernach spielt für die Schufa Holding AG das Alter einer bei ihr gespeicherten Information die wichtigste Rolle; andere Informationen hingegen nicht. Die Erkenntnisse der Journalisten werfen neue Fragen auf; etwa, ob die Auskünfte der Schufa Holding AG tatsächlich den gesetzlichen Anforderungen genügen oder auch, ob das Scoring tatsächlich den gesetzlichen Mindeststandards genügt.ilex analysiert die Presseberichterstattung.
Gliederung:
- Auskunfteien am Beispiel der Schufa Holding AG
- Die Erkenntnisse aus dem NDR Info-Beitrag
- Erfüllung der Auskunftsansprüche?
- Wissenschaftlichkeit des Scorings?
- Fazit
1. Auskunfteien am Beispiel der Schufa Holding AG
Auskunfteien sind Unternehmen, die Einzelinformationen über Menschen (personenbezogene Daten) und Unternehmen (unternehmensbezogene Daten) sammeln, speichern und hieraus eine Prognose zur Frage ableiten, wie wahrscheinlich ist, dass der jeweils Betroffene auch morgen noch seine Rechnungen zahlt (Score). Diese Informationen ermöglichen es, Unternehmen, die ihren Kunden gegenüber in Vorleistung treten, abzuschätzen, ob sich dieses Risiko lohnt. Soweit ist die Tätigkeit der Auskunfteien auch anerekennenswert und ein integraler Bestandteil unserer Volkswirtschaft. Der Marktführer unter den deutschen Auskunfteien, zumindest soweit es personenbezogene Daten angeht, ist die Schufa Holding AG.
Die Betroffenen können, zumindest soweit sie Menschen "aus Fleisch und Blut" sind (natürliche Personen), von den Auskunfteien verlangen, dass sie ihnen alle Daten, die zu ihrer Person gespeichert werden, mitteilen (Auskunftsanspruch § 34 Absatz 1 BDSG). Ferner können natürliche Personen auch verlangen, dass die Auskunfteien ihnen einzelfallbezogen und nachvollziehbar erklären, wie der Score zustandekommt (§ 34 Absatz 4 Zf. 4 BDSG). Der Bundesgerichtshof hat erst kürzlich entschieden, dass dieser Anspruch bereits durch die Übermittlung einer individualisierten Datenübersicht, die mit einem allgemeinen und vorformulierten Info-Blatt zum Scoring verbunden ist, erfüllt wird (VI ZR 156/13). Eine exaktere Erläuterung zum Scoring-Verfahren, die es den Verbrauchern auch ermöglicht, die Rechtmäßigkeit des Scorings an sich zu prüfen, sei nicht geschuldet. Hiergegen ist bereits eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben worden (1 BvR 756/14), deren Ausgang noch offen ist.
Den Auskunfteien ist das Scoring grundsätzlich untersagt (§ 4 Absatz 1 BDSG); die einzig in Betracht kommende Ausnahme ist aus den §§ 29 Absatz 1, 28b BDSG zu entnehmen. Hiernach ist das Scoring ausnahmsweise zulässig, wenn das Verfahren im Hinblick auf die Rechte der Betroffenen verhältnismäßig ist. Die Verhältnismäßigkeit setzt zumindest voraus, dass die Voraussetzungen des § 28b BDSG erfüllt sind, da ist u.a. verlangt, die zur Score-Berechnunggenutzten Daten unter Zugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrens nachweisbar für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit des bestimmten Verhaltens erheblich sind. In seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof noch einmal bekräftigt, dass die Betroffenen nicht das Recht hätten, zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 28b BDSG erfüllt sind.
Das Scoring der Schufa Holding AG beruht auf dem großen Datensatz der Auskunftei. Hierbei werden Personen mit vergleichbaren Eigenschaften zu sog. Vergleichsgruppen zusammengefasst und dann wird die Ausfallwahrscheinlichkeit der Gruppen für bestimmte Geschäftsarten gemessen und auf die Gruppenmitglieder übertragen. Während das Landgericht Berlin in einer von den ilex Rechtsanwälten erwirkten Entscheidung noch verlangte, dass die Schufa Holding AG die Kriterien, die die Vergleichsgruppe bestimmen, offenlegt, entschied der Bundesgerichtshof, dass der Auskunftsanspruch nicht so weit geht. Wie das Bundesverfassungsgericht oder ggf. eines Tages der Europäische Gerichtshof diese Frage beurteilt, ist noch offen.
2. Die Erkenntnisse aus dem NDR Info-Beitrag
In einem aktuellen NDR-Info-Beitrag ist nun von einer geheimen Liste aus dem Jahr 2010 die Rede, in der Schufa Holding AG ihr Scoring selbst analysiert hat. Hieraus geht hervor, welche Variablen für die Schufa Holding AG am (ge)wichtigsten seien. Dabei sind für die Schufa Holding AG offenbar Informationen zur Frage, wie lange ein Bankkonto oder eine Adresse existiert wichtiger als Informationen über das Lebensalter, die Häufigkeit von Krediten. NDR-Info berichtet, dass die Liste 18 Punkte aufführe. Außerdem gingen aus der Liste 140 verschiedene Scores hervor, die auch branchenspezifische Unterschiede berücksichtigen. Bemerkenswert finden die Journalisten, dass Informationen über Zahlungsausfälle (sog. Negativinformationen) erst an fünfter Stelle im Ranking der Variablen stehen und damit auf den Score weniger Einfluss ausüben als bislang vermutet. Im Einzelfall könne dies aber auch anders sein.
Die geheime Liste offenbare zudem, dass die Schufa Holding AG den Verbrauchen nicht alle Informationen mitteilt, die in das Scoring einfließen. Denn die Verbraucher erfahren nicht, wie alt eine Information tatsächlich ist. Dies sei bemerkenswert, weil doch diese Information für das Scoring so wichtig sei.
3. Erfüllung der Auskunftsansprüche?
Zunächst stellt sich die Grundsatzfrage, ob die Schufa Holding AG tatsächlich ihre Auskunftsansprüche richtig erfüllt. Nach § 34 Absatz 1, 4 BDSG haben die Betroffenen "einen Anspruch auf Auskunft darüber, welche personenbe-zogenen, insbesondere kreditrelevanten Daten in die den Kunden der Beklag-ten mitgeteilten Wahrscheinlichkeitswerte eingeflossen sind." (so der BGH VI ZR 156/13). Es kann dahinstehen, ob man der BGH Entscheidung im Ergebnis zustimmt oder nicht. Hier war der Bundesgerichtshof aber eindeutig. Wenn nun die Schufa Holding AG den Anfragenden nicht mitgeteilt hat, wie lang eine Information gespeichert wird, hat sie ihnen damit eine für die Score-Berechnung wesentliche Information unterschlagen. Ob darin eine Ordnungswidrigkeit i.S.v. § 43 Absatz 1 Zf. 8b BDSG ist, kann jetzt noch nicht beurteilt werden. Es ist allerdings auch nicht zwingend ratsam, gleich eine Ordnungswidrigkeit zu sehen, da der Weg zu mehr Transparenz fraglos nur gemeinsam mit den Auskunfteien gegangen werden kann.
4. Wissenschaftlichkeit des Scorings?
Eine andere Frage ist, ob die neuen Informationen aus dem NDR Info-Beitrag Zweifel an der Wissenschaftlichkeit der Score-Berechnung durch die Schufa Holding AG nähern. Jedoch könnte die Frage, ob die unterschiedliche Gewichtung der Merkmale wirklich ausreicht, um eine wissenschaftliche Rechtfertigung erlangt nun noch einmal überprüft werden. Hierzu müssen nun externe Experten sprechen. ilex wird dies abwarten.
5. Fazit
Der NDR Info Beitrag berichtet ausgewogen und fair über eine Thematik, die nahezu alle volljährigen Bundesbürger betrifft. Es geht nicht nur um die finanzielle Ehre der Betroffenen, sondern auch um die Möglichkeit, das eigene Scoring auf seine Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Denn weder die Schufa Holding AG noch die Volkswirtschaft haben ein Interesse an unzulässigen Scores. Das einzige Mittel zur Erreichung dieses Zieles ist mehr Transparenz. Insoweit greift der NDR Info Beitrag hier ein wichtiges Thema auf.