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Online-Shop: Die Wertersatzpflicht des Käufers bei Widerruf

Das Fernabsatzrecht (u. a. „Button-Lösung“, „Wertersatz“ und „Widerrufsbelehrung“) ist eines der Rechtsgebiete, die ständig und sehr stark vom Europäischen Gesetzgeber und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geprägt werden. Im Rahmen des ilex Vortrags „Update zum Fernabsatzrecht“ auf dem 4. Berliner IT-Rechtstag wurden u. a. die Entwicklungen bei der Frage, ob der Verkäufer Wertersatz für die Nutzung einer später zurückgegeben Sache verlangen kann, erörtert. Die wichtigsten Erkenntnisse sind folgend zusammengefasst.


Gliederung:


1. Wertersatz für gezogene Nutzungen

Eine wesentliche Säule des eCommerce ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers. Es berechtigt zur Rückgabe der Kaufsache (nach bestimmten Regeln) und verpflichtet den Online-Händler zur Rückzahlung des Kaufpreises. Für den Online-Händler stellt sich die entscheidende Frage, ob er Wertersatz für die Nutzung der Kaufsache vom Käufer verlangen kann. Ein einfaches Beispiel: Herr Meier kauft einen Laptop bei einem Online-Händler. Die Widerrufsbelehrung erfolgt nicht ordnungsgemäß. Nach einem Jahr gibt Herr Meier den Laptop zurück und erklärt den Widerruf. Der Online-Händler weigert sich, den ursprünglichen Kaufpreis zu erstatten, da Herr Meier das Gerät ja über einen langen Zeitraum genutzt habe und dieser Vorteil angerechnet werden müsste. Sprich: Der Verkäufer macht einen Wertersatzanspruch geltend.

Über diesen Fall hatte ein deutsches Amtsgericht zu entscheiden. Da es verbindlich klären wollte, ob das bisherige deutsche Gesetz (§ 346 BGB), welches einen Wertersatz für diesen Fall vorsah, mit dem Europäischen Recht – hier: Fernabsatzrichtlinie – vereinbar war, legte es diese Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Der EuGH entschied, dass das bisherige Gesetz gegen den Zweck der Fernabsatzrichtlinie verstoße, da der Verbraucher durch eine solche Regelung von der Ausübung des Widerrufsrechts abgehalten werden könnte(die so genannten Messner-Entscheidung des EuGH, Urteil v. 03.09.2009, Az. C-489/07).

Der EuGH sah jedoch auch, dass dem Verbraucher bei dieser strikten Anwendung in bestimmten Fällen weitergehende Rechte eingeräumt würden, als zur Ausübung eines zweckdienlichen Widerrufsrechts erforderlich sei. Deshalb eröffnete er dem deutschen Gesetzgeber einen gewissen Regelungsspielraum bei der Anpassung der europarechtswidrigen Regel.

In dem neuen Gesetz ist Wertersatz für Nutzungen nur unter zwei einschränkenden Voraussetzungen geschuldet:

• Soweit der Verbraucher die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht, und
• nur dann, wenn er zuvor vom Unternehmer auf diese Rechtsfolge hingewiesen und der Verbraucher entsprechend § 360 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB über sein Widerrufs- oder Rückgaberecht belehrt worden ist oder davon anderweitig Kenntnis erlangt hat.

Mit der ersten Voraussetzung – Überschreitung der Prüfung von Eigenschaft und Funktionsweise – soll gerade verhindert werden, dass der Käufer das Instrument des Widerrufsrechts zweckwidrig ausnutzt.

2. Wertersatz wegen Verschlechterung

Hiervon unterschieden werden muss der Wertersatz für die Verschlechterung des Kaufgegenstandes. Es geht also um den Fall, dass der Käufer den Kaufgegenstand wie oben erhalten hat, der Kaufgegenstand auf irgend eine Weise eine Verschlechterung erfährt und hierfür Wertersatz verlangt wird. Beispiel: Über einen Online-Shop erwirbt der Käufer Meier ein Wasserbett. Er befüllt das Wasserbett und benutzt es drei Tage. Danach erklärt er den Widerruf. 


Der Online-Händler rechnet gegen den Kaufpreisrückzahlungsanspruch einen Wertersatzanspruch wegen Verschlechterung auf. Er begründet das mit dem Umstand, dass er das Wasserbett nach der Nutzung durch den Käufer nicht mehr verkaufen könne.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte zu entscheiden, ob dem Online-Händler ein Wertersatzanspruch zugesprochen werden könnte. Dabei kam es darauf an, ob das Verhalten des Käufers – ähnlich wie beim Wertersatzanspruch wegen Nutzungen – noch als ein „Prüfen“ verstanden werden kann. Der BGH bejahte das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals und sah in der dreitägigen Nutzung des Wasserbettes und dem vorausgehenden Befüllen ein Prüfen im Sinne des Gesetzes (BGH, Urteil vom 3.11.2010 - VIII ZR 337/09).

Die weiter oben zitierte Messner-Entscheidung des EuGH führte auch zu einer Gesetzesänderung für den Wertersatzanspruch wegen Verschlechterung: Nach der früheren Regelung und somit in dem oben beschriebenen Wasserbett-Fall musste der Käufer nachweisen, dass die Verschlechterung auf die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise zurückzuführen ist. Die Beweislast ist nach der neuen Vorschrift (§ 357 Abs. 3 BGB) auf den Verkäufer übergegangen. Die Messner-Entscheidung führt also auch hier zu einem stärkeren Schutz des Verbrauchers.

3. Wichtige Gestaltungstipps für Online-Händler

Die Wertersatzpflicht tritt unter den oben genannten Umständen nur dann ein, wenn der Verbraucher/Käufer von dem Online-Händler ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht und die mögliche Wertersatzpflicht belehrt worden ist. Das Gesetz schreibt hier umfangreiche Informationspflichten vorvertraglicher und nachvertraglicher Natur vor. Insbesondere im Zusammenhang mit der so genannten Button-Lösung ist beim Bestellablauf besondere Aufmerksamkeit auf die Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften zu legen. Das Gesetz sieht vor, dass der Online-Händler unter anderem die Belehrung über die Wertersatzpflicht unmittelbar vor Abgabe der Bestellung klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellt.

Da es bei der Wertersatzpflicht häufig um die einzige Verteidigungsmöglichkeit des Online-Händler gegen den Anspruch auf Rückzahlung nach Ausübung des Widerrufsrechts geht, ist die ordnungsgemäße Belehrung neben den wettbewerbsrechtlichen Gründen auch für die Abwehr von Rückzahlungsansprüchen relevant.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

ilex Rechtsanwälte – Berlin & Potsdam Yorckstraße 17, 14467 Potsdam Hohenzollerndamm 123, 14199 Berlin

Telefon +49 331 9793750
Telefax +49 331 97937520

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