Prozesserfolg für EC-Kartennutzer: „Anscheinsbeweis“ zu Lasten von Bankkunden beim missbräuchlichen Einsatz der EC-Karte gilt nur bedingt
Die Verfassungsbeschwerde einer Bankkundin, deren EC-Karte entwendet und anschließend unberechtigt durch Dritte eingesetzt worden war, hatte vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg Erfolg (Beschluss vom 13.04.2012 – VfGBbg 43/11). Die zuvor zu Lasten der Bankkundin ergangenen Urteile wurden aufgehoben und müssen neu verhandelt und entschieden werden. Der Verfassungsgerichtshof des Landes Brandenburg mahnte bei den Vorinstanzen an (Amtsgericht Potsdam und Landgericht Potsdam), dass die Gerichte den Beweis nicht richtig erhoben und Beweisanträge im Zivilprozess zur Widerlegung des sogenannten Anscheinsbeweises nicht berücksichtigt hätten. Dies habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, so dass die Sache an die Vorinstanzen zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen werden musste.
Überblick:
- Der Diebstahl der EC-Karte
- Der Rechtsweg durch die Instanzen
- Was entschied das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg?
- Fazit
Der Diebstahl der EC-Karte
Ursache des Rechtsstreites zwischen der Bankkundin und der Bank war ein Diebstahl. Der Bankkundin hatte im Juni 2010 ihr Fahrzeug mitsamt Handtasche und der sich darin befindlichen EC-Karte auf einem Parkplatz in Michendorf abgestellt, um im nahegelegen See zu baden. Daraufhin wurde der Wagen durch Diebe aufgebrochen, die Handtasche entwendet und am frühen Abend an einem Geldautomaten in Potsdam Bornstedt fünf Abhebungen über je 200,- EUR vorgenommen. Die Bank buchte der Frau den Gesamtbetrag inklusive Gebühren in Höhe von 1.029,90 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 13,24 % wegen angeblicher Inanspruchnahme eines Dispositionskredits in als Soll des Kontoauszuges. Die Bankkundin jedoch war der Ansicht, dass sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Jedenfalls habe sie die Geldautomatenabhebung nicht vorgenommen. Dagegen warf ihr die Bank „ins Blaue“ hinein vor, sie sei angeblich mit der zur Zahlungskarte gehörenden PIN unsorgfältig umgegangen. Außerdem wertete die Bank die Aufbewahrung der EC- Karte im Wagen als grob fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten nach den vereinbarten Bedingungen für die Aufbewahrung einer girocard-Maestro Card. Die Bankkundin war - was die Aufbewahrung der Karte und PIN anging - gegenteiliger Meinung. Sie hatte die PIN, so ihre Darlegung, weder auf der Zahlungskarte, noch in dessen räumlicher Nähe notiert.
Der Rechtsweg durch die Instanzen
Die Bankkundin nahm die Bank vor dem Amtsgericht Potsdam auf Rückgängigmachung der Belastungsbuchungen in Anspruch. Das Amtsgericht Potsdam wies die Klage aus dem Jahre 2011 als unbegründet ab (Az. 22 C 202/10). Die Betroffene habe keinen Anspruch gegen die Bank auf Schadlosstellung aufgrund einer Pflichtverletzung aus dem Girovertrag. Weiterhin sah das Gericht einen zugunsten der kontoführenden Bank greifenden Anscheinsbeweis. Demnach könne man pauschal unterstellen, dass die PIN auf auf der Karte notiert gewesen oder zusammen mit der PIN aufbewahrt worden sei. Die Bankkundin habe diese pauschale Annahme angeblich nicht durch schlüssige Gegenbeweise erschüttert.
Auch die von der Bankkundin eingelegte Berufung vor dem Landgericht Potsdam, in der sie auf mehrere plausible, alternative Geschehensabläufe wie z. B. das vorherige Ausspionieren der EC- Karte oder die nicht überbrückbare zeitliche und räumliche Distanz zum Geldautomaten hinwies, hatte keinen Erfolg (Landgericht Potsdam, Urt. v. 06.07.2011 - 8 S 3/11). Der Anscheinsbeweis, wonach das erfolgreiche Abheben von Geld durch Straftäter, die zuvor die Zahlungskarte entwendet haben, sei überhaupt nur denkbar, wenn die Bankkundin die PIN auf der Karte oder in der räumlichen Nähe notiert habe, sei nicht erschüttert. Auch die darauffolgende Anhörungsrüge zu den vorgetragenen Behauptungen hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hob diese Entscheidungen jedoch auf.
Was entschied das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg?
Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hob die Entscheidung des Landgerichtes Potsdam wieder auf, da das Gericht sich zu allen entscheidungserheblichen Fragen äußern zu können und das Recht auf Berücksichtigung dieser Äußerungen bei der Entscheidungsfindung übergangen habe. Konkret habe das Landgericht Beweisangebote der betroffenen Bankkundin, die gegen die Annahme einer pauschalen Anscheinsbeweises sprechen, übergangen. Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises hatte die Bankkundin nämlich angeboten, ihren Lebenspartner als Zeugen dafür zu vernehmen, dass dieser am fraglichen Tag mit ihr den Tag verbracht habe und er die Karte gesehen habe. Deshalb könne der Zeuge eine Aussage darüber treffen, dass die Bankkundin die PIN nicht auf der Karte notiert habe. Diesen Beweisantritt hätte das Landgericht nicht übergehen dürfen, so das Verfassungsgericht. Ob auch das Nichteingehen auf die weiteren Beweisangebote der Bankkundin bedurfte keiner weiteren Vertiefung. Die Bankkundin hatte jedoch in Bezug auf ihre Merkfähigkeit einer PIN die PIN von drei weiteren EC- Karten vorgetragen und die Tatsache angeboten, dass in einer Vielzahl von Fällen in Potsdam und Umgebung arbeitsteilig EC-Karten aus Autos im fraglichen Zeitraum gestohlen worden seien, nachdem eine andere Bande die Geheimnummer ausgespäht habe.
Fazit
Wird mit einer entwendeten EC-Karte Geld abgehoben, ohne das der Bankkunde die PIN auf seiner Karte notiert hat, wird meist anstandslos reguliert. Einige wenige Banken vertreten pauschal den Standpunkt, der Karteninhaber habe unvorsichtigerweise die Karte mit der zugehörigen PIN zusammen aufbewahrt und verweigern die Auszahlung. Dieser Anscheinsbeweis kann jedoch durch schlüssige Beweisanträge erschüttert werden. Eine professionelle Rechtsberatung- und Vertretung ist in diesem Fall von Nutzen. Setzen sich die Gerichte mit den vorgetragenen Beweisanträgen schon bereits nicht auseinander oder nehmen sie diese nicht zur Kenntnis, verletzt dies den Anspruch auf rechtliches Gehör und kann von einem Bankkunden erfolgreich gerügt werden.