Prozesserfolg Namensrecht: Grundsatzentscheidung erwirkt
Die im Immaterialgüterrecht tätige Rechtsanwaltskanzlei Schulte am Hülse, zu deren Tätigkeitsfeld auch das Namensrecht gehört, hat mit Beschluss vom 04.12.2007 vor dem Landgericht Bochum eine Grundsatzentscheidung im Recht der Familiennamen erwirkt. Dabei ging es um die personenstandsrechtliche Berichtigung eines Familiennamens, den Standesbeamte Ende des 19. Jahrhunderts und bei nachfolgenden Generationen fehler¬haft in Personenstandsurkunden eingetragen hatten. Nachdem die Verwaltungsbehörde und das Amtsgericht Bochum gegen die Antragsteller entschieden hatte, konnten die Rechtsanwälte im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Bochum eine Aufhebung der Entscheidung und eine Stattgabe der Anträge erwirken. Die Entscheidung ist rechtskräftig und angesichts seiner über den Einzelfall hinausreichenden Bedeutung von ein¬schlägigen Fachzeitschriften veröffentlicht worden.
Übersicht:
Wann kann ein Familienname berichtigt werden?
Das Recht der Familiennamen ist von dem Grundsatz geprägt, dass man sich einen Familiennamen nicht aussuchen kann und dieser nicht zur Disposition eines Beteiligten steht; von den im Namensänderungsgesetz geregelten wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. Obwohl ein Familienname unveränderlich ist, kommt es vor, dass der sachlich richtige Familienname von einem Standesbeamten in Personenstandsurkunden (d. h. im Geburten-, Heirats- und Sterbebuch) falsch eingetragen wird und sich dieser Fehler ggf. in Folgegenerationen fortsetzt. Relativ häufig werden Umlaute ( „ä“, „ö“, „ü“ bzw. „ae“, „oe“, „ue“) oder das so genannte scharfe „s“ (= „ß“) falsch eingetragen. Bei den sogenannten echten Doppelnamen werden von Standesbeamten sogar ganze Wortteile des Familiennamens bewusst oder unbewusst vergessen einzutragen. Und es gibt Fälle, da wurde der Familiennamen bei im Ausland lebenden Deutschen sogar unter staatlichem Druck aus politischen und ideologischen Gründen zwangsweise geändert (= slawisiert). Für alle diese Fälle gibt es das namensrechtliche Personenstandsberichti¬gungsverfahren, welches im Personenstandsgesetz geregelt ist.
Soweit eine Personenstandsurkunde noch nach dem Abschluss eines Eintrages Fehler enthält, können sie berichtigt werden, wenn sich der richtige oder der vollständige Sach-verhalt aus inländischen Personenstandsurkunden ergibt. Der Antragsteller muss also den Beweis des richtigen Sachverhaltes mit Hilfe einer in Deutschland ausgestellten Personenstandsurkunde führen.
Resultate erarbeiten
Das Personenstandsberichtigungsverfahren gilt als schwierige Rechtsmaterie, da Fehleintragungen häufig Jahrzehnte zurückliegen, die Fälle sehr unterschiedlich sind und gleichzeitig eine genaue Kenntnis der obergerichtlichen Rechtsprechung abverlangen. In den vergangenen Jahren überwogen Fälle von nach Deutschland zurückkehrenden Deutschen aus osteuropäischen Ländern, bei denen der Familienname im Ausland aus ideologischen Gründen unter staatlichem Zwang geändert wurde (Slawisierung von Fami-liennamen). Diese Familien möchten in Deutschland nunmehr ihren alten deutschen Familiennamen führen; ein offensichtlich berechtigtes Anliegen. Bereits diese Fälle wird man in der rechtsberatenden Tätigkeit erst dann einer sachgerechten Lösung zuführen können, wenn man den oft lange zurückliegenden Sachverhalt gemeinsam mit dem Mandanten sorgfältig rekonstruiert. Meist sind Recherchen in Kirchenarchiven oder in anderen staatlichen Archiven notwendig. Mit juristischem Alltagswissen kann man diese Fälle nicht lösen.
Bedeutung der Entscheidung
Die von den Rechtsanwälten erwirkte Entscheidung des Landgerichtes Bochum vom 04.12.2007 hat Bedeutung über den Einzelfall hinausreichend erlangt und wurde deshalb von einschlägigen Fachzeitschriften veröffentlicht. Im konkreten Fall konnte der richtige Familienname nur mit Hilfe von Eintragungen in Kirchenbüchern des frühen 19. Jahrhunderts nachgewiesen werden, also Eintragungen die vor über 200 Jahren vorgenommen wurden. Streitig war dabei die Rechtsfrage, ob Kirchenbücher, die bereits vor der Einführung der standesamtlichen Personenstandsurkunden geführt wurden, als „inländische Personenstandsurkunden“ anzusehen sind. Nur wenn man diese Frage bejaht konnte das Anliegen der Antragsteller Erfolg haben, da sie ja den Nachweis einer unrichtigen Eintragung mit Hilfe einer „inländischen Personenstandsurkunde“ führen mussten. Das Landgericht Bochum hat den Kirchenbüchern diese Urkundseigenschaft zugebilligt. Den Kirchenbüchern, die bereits vor der Einführung der Standesämter geführt wurden, kommt also auch heute noch und nach Ablauf von über 200 Jahren der volle Be-weiswert einer echten Personenstandsurkunde zu.
Daneben handelt es sich um eine der wenigen Gerichtsentscheidungen, bei denen im Jahre 2007 das vor über 100 Jahren außer Kraft getretene Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) und eine Kabinettsordre eines preußischen Königs aus dem Jahre 1822 geprüft werden musste.