Prozesserfolg: Schufa-Auskunftsanspruch gegen Auskunftei hat auch im Berufungsverfahren vor dem Kammergericht Bestand
Das Landgericht Berlin urteilte am 01.11.2011, soweit ersichtlich erstmals, dass die Schufa Holding AG einem Unternehmer Auskunft über die Art und Weise und die Zusammensetzung seiner Score-Werte zu gewähren habe (LG Berlin, Urteil v. 1.11.2011 – 6 O 479/10 „Umfang der Schufaauskunft beim Scoring“, ZD 2/2012, S. 74 m. Anmerk. Dr. Gärtner). Während das Landgericht Berlin in der von ilex Rechtsanwälte erwirkten Entscheidung die Ansicht vertrat, dass der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch auch die konkrete Scoring-Berechnung umfasst, urteilte das Landgericht Wiesbaden genau einen Monat später, dass nur ein begrenzter Auskunftsanspruch gegen die Schufa Holding AG bestehen würde (LG Wiesbaden, Urteil v. 01.12.2011 – 8 O 100/11, ZD 6/2012, S. 283). Gegen das Urteil des Landgerichtes Berlin, das dem Betroffenen einen weitergehenden Auskunftsanspruch zubilligte, legte die unterlegende Schufa Holding AG Berufung ein. In der am 21. August 2012 vor dem 7. Zivilsenat des Kammergerichtes (Az. 7 U 245/11) durchgeführten Berufungsverhandlung deutete das Berufungsgericht jedoch an, dass es den vom Landgericht Berlin ausgeurteilten erweiterten Auskunftsanspruch unter den Besonderheiten des Falles für gesetzeskonform erachten und die bisherige eingeschränkte Auskunftserteilung der Schufa Holding AG nicht nachvollziehbar sei. Daraufhin zog die Schufa Holding AG die Berufung zurück. Diese Zurücknahme der Berufung hat den Verlust des Rechtsmittels zur Folge und bedeutet, dass das erstinstanzliche Urteil nunmehr rechtskräftig geworden ist. Eine Grundsatzentscheidung des Kammergerichtes konnte die Auskunftei durch die Berufungsrücknahme vermeiden. Gleichwohl zeigt sich, dass die abweichende Ansicht des Landgerichtes Wiesbaden möglicherweise auch in zukünftigen Fällen nicht zu halten sein wird.
Übersicht:
- Worum ging es vor dem Landgericht Berlin?
- Welche Ansicht vertrat das Landgericht Wiesbaden?
- Was meint das Kammergericht?
- Welche Bedeutung hat der einzelfallbezogene Auskunftsanspruch?
Worum ging es vor dem Landgericht Berlin?
In dem Verfahren vor dem Landgericht Berlin wunderte sich ein Unternehmer darüber, dass er von einem Vertragspartner eine Vertragsabsage mit der Begründung erhielt, sein von der Schufa Holding AG errechneter Score-Wert sei für einen Vertragsschluss zu schlecht. Einem Finanzierungsvermittler wurde die Ratingstufe „I“ übermittelt, die nach eigenen Angaben der Schufa Holding AG nur noch eine Erfüllungswahrscheinlichkeit von 79,05 % umfasst. Diese Einstufung wich von anderen Bonitätseinstufungen ab. Aus der Sicht des Betroffenen gab es dafür keine logische Begründung. Insbesondere war ein sogenannter Negativeintrag, also die Behauptung einer schlechten Zahlungsmoral, im Datenbestand der Schufa Holding AG seinerzeit nicht vorhanden. Das Landgericht Berlin verurteilte daraufhin die Schufa Holding AG auf den Antrag des Betroffenen zur Offenlegung über das Zustandekommen und die Bedeutung der errechneten Wahrscheinlichkeitswerte (Scorewerte) gegenüber dem Betroffenen. Nach diesem nunmehr rechtskräftigen Urteil muss dem Betroffenen auch die zugrundeliegende Datenbasis mitgeteilt werden. Konkret sei anzugeben, welche Daten die Auskunftei für die Bewertung des angeblichen Zahlungsverhaltens in der Vergleichsgruppe nutzt. Dabei steht, so das Landgericht Berlin, dem Betroffenen auch ein Auskunftsanspruch über das Zustandekommen der Wahrscheinlichkeitswerte zu. Die der Berechnung von Score-Werten zugrundeliegenden Datenbasis sei mitzuteilen und ebenso welche Elemente die Score-Berechnung beeinflussen. Dabei seien Angaben zur Vergleichsgruppe zu machen, in die der Betroffene eingeordnet worden sei. Ferner habe die Auskunftei Auskunft darüber zu erteilen, welche Daten zu einer Bewertung des Zahlungsverhaltens innerhalb der Vergleichsgruppe führen. Anzugeben sei außerdem, welchen Einfluss die der Auskunftei vorliegenden persönlichen Daten des Betroffenen auf die Bildung des Wahrscheinlichkeitswertes haben.
Welche Ansicht vertrat das Landgericht Wiesbaden?
Demgegenüber hatte das Landgericht Wiesbaden in einer einen Monat später verkündeten erstinstanzlichen Entscheidung dargelegt, dass nur ein begrenzter Auskunftsanspruch gegen die Schufa Holding AG bestehen würde. Nachdem der dortige Betroffene eine Datenübersicht von der Schufa Holding AG angefordert hatte, die in Tabellenform die übliche Auskunft zu den Wahrscheinlichkeitswerten (Scorewerten) enthielt, wollte er später auch die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzten Datenarten erfahren, die das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte in allgemein verständlicher Form. Vor der 6. Zivilkammer des Landgerichtes Berlin hätte er mit diesem Begehren mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg gehabt. Das Landgericht Wiesbaden war jedoch der Ansicht, dass die in der üblichen Übersicht enthaltene Auskunft der Schufa Holding AG ausreichend sei. Deshalb habe die Auskunftei den gesetzlichen Auskunftsanspruch bereits erfüllt. Die von der Auskunftei vorgelegte Datenübersicht sei schon deshalb ausreichend einzelfallbezogen, weil diese allein schon die konkret zu einer Person errechneten Score-Werte enthielt. Der weitergehende Auskunftsanspruch, der auf eine Überprüfung der berechneten Score-Werte gerichtet sei, sei dagegen vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Was meint das Kammergericht?
Das Kammergericht, welches als Obergericht soweit ersichtlich erstmals mit diesen Rechtsfragen befasst war, hatte nicht mehr die Gelegenheit seine Ansicht in einem Urteil darzulegen. Hintergrund war, dass die beklagte Schufa Holding AG die Berufung noch in der mündlichen Verhandlung nach einer eingehenden Erörterung der Sach- und Rechtslage zurücknahm. Allerdings formulierte das Kammergericht in dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung einen richterlichen Hinweis und wies daraufhin, dass es für den 7. Zivilsenat gar nicht entscheidend sei, ob die von der Schufa Holding AG versandte Datenübersicht eine ausreichende Auskunft enthalte. Gerade der vor dem Landgericht Berlin zu verhandelnde Fall war von der Besonderheit geprägt, dass der an einen Kreditvermittler übermittelte konkrete Branchen-Score-Wert deutlich von einem anderen Branchen-Score-Wert abwich. Aus der Datenübersicht ergab sich jedoch keine einzelfallbezogene Erläuterung, worauf dieser Unterschied beruhe. In einem solchen Fall, so die Richter des 7. Zivilsenates des Kammergerichtes in der mündlichen Verhandlung, sei einem Verlangen nach Klarheit nachzukommen. Daraufhin nahm die Auskunftei die Berufung zurück. Nach Ansicht von ilex Rechtsanwälte zeigt diese Darlegung jedoch , dass die insofern abweichende, erstinstanzliche Ansicht des Landgerichtes Wiesbaden möglicherweise in zukünftigen Fällen nicht zu halten sein wird.
Welche Bedeutung hat der einzelfallbezogene Auskunftsanspruch?
Die Praxisrelevanz eines einzelfallbezogenen Auskunftsanspruches in Bezug auf die Berechnung von Score-Werten ist nicht zu unterschätzen. ilex Rechtsanwälte beobachten seit längerem das Phänomen von nicht mehr nachvollziehbaren Branchen-Score-Werten, die im Einzelfall für den Betroffenen erhebliche Auswirkungen haben können. So kommt es vor, dass bei einem vergleichsweisen geringen Datenbestand bei diversen Branchen-Score-Werten durchaus größere Abweichungen existieren. Der eine Betroffene fragt sich möglicherweise, warum er ausgerechnet bei den Score-Werten für Genossenschaftsbanken schlechter da steht, obwohl er noch nie bei einer Genossenschaftsbank auch nur ein Konto geführt hat. Wenn dann auch der übrige Datenbestand für eine solche Beurteilung wenig hergibt, bleiben Fragen offen. Ein anderer Betroffener, bei dem die Auskunftei möglicherweise ebenfalls nur über einen sehr geringen Datenbestand verfügt (Name, Anschrift und ein oder zwei Konten und ggf. noch ein Mobilfunkvertrag), fragt sich möglicherweise, wie man mit einem solch geringen Datenbestand einen konkreten Score-Wert für eine bestimmte Branche überhaupt ermitteln kann? Der vom Landgericht Berlin insofern rechtskräftig ausgeurteilte einzelfallbezogene Auskunftsanspruch schafft hierbei erstmals die gebotene Transparenz, die dann – entgegen der Ansicht des Landgerichtes Wiesbaden – sehr wohl in Richtung einer Überprüfung im Einzelfall gehen kann.