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Schufa & soziale Netzwerke: Das Forschungsprojekt mit dem Hasso-Plattner-Institut wurde beendet

Potsdam, 19. Juni 2012. Ein Blick auf die letzten beiden Pressemitteilungen der Schufa Holding AG gibt nur kühl und nüchtern wieder, was heiß und trunken voller Eifer disktutiert wurde. Mit einer Pressemitteilung vom 5. Juni 2012 teilte die Auskunftei mit, dass das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut (HPI) und die Schufa Holding AG ein gemeinsames Forschungsprojekt starten würden, dessen Ziel die Analyse und Erforschung von Daten aus dem Web ist. Was zunächst harmlos klingt, sorgte für eine umfassende Entrüstung und nur drei Tage später für eine weitere Pressemitteilung der Schufa Holding AG, die das Ende des Projektes verkündete. Die allgemeine Aufregung - die sich v. a. gegen den Datenhunger der Schufa richtet - kann gesellschaftspolitisch sinnvoll sein. Doch die Kommentatoren verlieren aus dem Blick, worum es eigentlich geht. Losgelöst von diesem Forschungsprojekt ist der Schufa in einem Punkt zuzustimmen. Es kann nicht ignoriert werden, dass Daten auf sozialen Netzwerken - etwa bei Facebook - einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sind. Es darf also die Frage gestellt werden: Wäre es denn überhaupt zulässig, wenn eine Auskunftei, eine Detektei, ein Arbeitgeber oder ein Online-Handel derartige Daten zur Analyse Dritter verwendet? ilex Rechtsanwälte, die seit langer Zeit im Datenschutzrecht (auch im Zusammenhang mit Schufa-Negativeinträgen und einem schlechten Schufa-Score) tätig sind, geht der Frage auf den Grund. Der folgende Beitrag hält sich - zwecks einer seriösen Analyse - aus der gesellschaftspolitischen Debatte heraus.

Gliederung:


1. Die Online-Recherche im Datenschutzrecht

Unternehmen, die im Internet Daten über natürliche Personen (= Menschen aus Fleisch und Blut) recherchieren, unterliegen dem Datenschutzrecht. Denn die Recherche stellt eine sog. Datenerhebung dar.

Im Datenschutzrecht gilt (vgl. § 4 Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz), dass die Erhebung von Daten grds. verboten ist (= Regel), es sei denn, der Betroffene hat eingewilligt oder es gibt hierfür eine andere Rechtsgrundlage (= Ausnahme). Mithin verhält es sich so, dass die Online-Recherche von Privatpersonen, die nicht nur privaten Zwecken dient, grundsätzlich verboten ist, es sei denn, der Betroffene willigt ein oder es gibt dafür eine Rechtsgrundlage. Hierbei ist es völlig unerheblich, dass die Online-Daten meist allgemein zugänglich sind; denn auch solche Daten schützt das Datenschutzrecht.

2. Die Zulässigkeit der Online-Recherche durch Auskunfteien

Mithin stellt sich die Frage, ob Auskunfteien eine an sich verbotene Online-Recherche ausnahmsweise rechtfertigen könnten. Damit ist nicht gesagt, dass dies bereits geschieht oder geschehen wird. Die Frage ist also hypothetisch.
Eine Einwilligung der Betroffenen ist nicht anzunehmen. Einerseits müsste diese Einwilligung gegenüber und zugunsten der Auskunftei erteilt werden, was aber bei sozialen Netzwerken - bislang! - den Nutzungsbedingungen noch nicht zu entnehmen ist. Durch die bereitwillige Selbstdarstellung willigt man auch nicht - konkludent - ein. Zwar ist dies grundsätzlich möglich; doch allein schon aufgrund der Tragweite der dort dargestellten Informationen nur eine theoretische Möglichkeit.

Mithin bleibt die Frage: Gibt es eine andere Rechtsgrundlage für die Recherche?

In der Tat kommt § 29 des Bundesdatenschutzgesetzes in Betracht. Nach § 29 Absatz 1 Nr. 1 BDSG wäre die Online-Recherche zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat. Mithin hat eine Interessenabwägung stattzufinden zwischen den Interessen der Betroffenen und derer Dritter.

Auf der einen Seite stehen die Interessen der Betroffenen an der Nichtreche ihrer Daten. Auf den ersten Blick sind diese Interessen sehr gering, denn sie haben sich selbst offenbart. Überspitzt formuliert könnte man sagen: Jeder Gläubiger könnte die Daten einsehen, doch die Stelle, die den Gläubigern diese Tätigkeit abnehmen will (= die Auskunftei), darf es nicht? Und dennoch wäre diese Betrachtungsweise zu kurzsichtig. Denn Hintergrund eines sozialen Netzwerkes ist der Austausch mit anderen Menschen, die Kontaktaufnahme mit Freunden usw. Hier besteht ein Interesse, öffentlich wahrgenommen zu werden. Keineswegs ist es die Intention eines sozialen Netzwerkes, die Bonitätsbewertung der Mitglieder zu ermöglichen. Hier läge eine bedenkliche Zweckveränderung vor, sodass das Nicht-Recherche-Interesse der Betroffenen zumindest dann sehr hoch ist, wenn der Recherchierende eine Auskunftei ist. Zudem muss bedacht werden, dass soziale Netzwerke auch von Jugendlichen benutzt werden, deren Selbstbestimmung in besonderem Maße geschützt werden muss. Was ein 12jähriger einstellt, möchte er vielleicht als 16jähriger nicht mehr einstellen und schon gar nicht als 30jähriger. Da soziale Netzwerke aber selten vergesslich sind, wäre es schon bedenklich, wenn die Bonität auch aus der Perspektive des 12jährigen Betroffenen bewertet wird. Auch ist zu bedenken, dass soziale Netzwerke besonders sensible Daten speichern bzw. nicht differenzieren, sodass auch hier eine exponierte Bedeutung der Daten und der damit verbundenen Interessen anzunehmen ist. Letztlich wird diese Frage im Beschäftigtendatenschutz auch diskutiert, insbesondere das Verbot, Bewerber in sozialen Netzwerken auszuspähen. Letztlich ergibt sich das Nicht-Recherche-Interesse auch aus dem Umstand, dass niemand garantieren kann, dass die Daten etwa in sozialen Netzwerken richtig sind. Namensdoppelung, Namensmissbrauch usw. stehen einer solchen Richtigkeitsgewähr entgegen. Wenn aber nicht einmal garantiert werden kann, dass die Daten inhaltlich zutreffen, muss auch ein Nicht-Recherche-Interesse der Betroffenen bestehen. Im Ergebnis besteht ein Interesse der Betroffenen, nicht durch Auskunfteien recherchiert zu werden.

Dem stehen nun die Interessen gegenüber, die die Auskunftei verteidigen will. Das sind v.a. Gläubigerinteressen und dort insbesondere der Schutz vor Kreditunwürdigen. Es steht außer Frage, dass es sich hierbei um ein berechtigtes Interesse handelt, doch kann es das Nicht-Recherche-Interesse der Betroffenen wirklich überwiegen? Erste Anhaltspunkte sprechen dagegen. Zunächst ist die Recherche aus öffentlichen Verzeichnissen zugunsten von Auskunfteien umstritten und wurde im Verlauf zur Verabschiedung der Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 abgelehnt. Andererseits wirkt sich auch hier spiegelbildich die Zweckentfremdung aus und relatviert die Interessen der recherchierenden Auskunftei. Letztlich hätte die Studie allein die Frage klären können, ob die Daten aus dem Netz überhaupt geeignet sind, Bonitätsbewertungen oder andere Analysen abzugeben. Doch es ist äußerst fraglich, ob dies ausgereicht hätte, um ein überwiegendes Interesse anzunehmen.

Darüberhinaus könnte die Recherche nach § 29 Absatz 1 Nr. 2 BDSG gerechtfertigt sein. Hiernach wäre die Recherche zulässig, wenn die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich überwiegt.

Hier wäre zunächst zu prüfen, ob Daten in einem sozialen Netzwerk allgemein zugänglich sind. Allgemeine Zugänglichkeit ist gegeben, wenn ein unbestimmter Kreis von Personen auf die Daten zugreifen kann, ohne vorher andere Schritte zu ergreifen, insbesondere ein Interesse darzustellen oder nachzuweisen. Das hängt nun vom jeweiligen sozialen Netzwerk ab. Werden aber Daten recherchiert, die nur nach vorheriger Registrierung oder gar Kontaktbestätigung mit der Auskunftei zugänglich sind, ist es schon fraglich, ob eine allgemein zugängliche Quelle vorliegt. Aber auch hier ist zu berücksichtigen, dass die Mütter und Väter der letzten Datenschutzrichtlinie sich bewusst gegen die Recherche durch Auskunfteien in öffentlichen Verzeichnissen entschieden haben.

Letztlich überwiegen die Interessen der Betroffenen sehr stark, denn es mangelt den Internet schon an der erforderlichen Richtigkeitsgewähr (s.o.).

3. Fazit

Derzeit scheint eine Recherche aus dem Internet zur Profilbildung, insbesondere zur Bonitätsbewertung technisch möglich zu sein. Das Forschungsvorhaben sollte die Validität dieser Verfahren beweisen. Rechtlich gesehen bestehen aber erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer solchen Recherche, die gemäß § 4 Absatz 1 des Bundesdatenschutzgesetz zur Rechtswidrigkeit führen kann. Sollten Betroffene merken, dass auch nur irgendjemand Daten rechtswidrig recherchiert, ist Eile geboten. Es bestehen Auskunfts-, Löschungs., Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche. Das - und nicht der Beginn oder die Beendigung von Forschungsvorhaben - sollte im Fokus der Debatte stehen.

Autor

Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Publikationen:

Veröffentlichungsliste Dr. Schulte am Hülse (PDF)

Auswahl (Sonderdrucke als PDF)

Das Abgreifen von Zugangsdaten zum Online-Banking, in: MMR 7/2016, S. 435-440.

Umfang des Auskunftsanspruches gegen die Schufa-Scorewerte, in: NJW 17/2014, S. 1235-1239

Der Anscheinsbeweis bei missbräuchlicher Bargeldabhebung an Geldautomaten mit Karte und Geheimzahl, in: NJW 18/2012, S. 1262-1266.

Das Abgreifen von Bankzugangsdaten im Online-Banking, in: MMR, 2010, S. 84-90.

Weitere Sonderdrucke auf Anfrage

ilex Rechtsanwälte – Berlin & Potsdam Yorckstraße 17, 14467 Potsdam Hohenzollerndamm 123, 14199 Berlin

Telefon +49 331 9793750
Telefax +49 331 97937520

E-Mail: schulte@ilex-recht.de
Internet: ilex-bankrecht.de

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