Staatsanwaltschaft München I: Neuer modus operandi beim EC-Kartenbetrug
Seit Jahren sind beim EC-Karten- oder Kreditkartenbetrug neue Varianten der Straftäter beim Ausspähen der für eine Geldautomatenverfügung notwendigen PIN zu beobachten. Nunmehr wurde eine vergleichsweise neue Tatvariante durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I gegen eine osteuropäische Bande bekannt (Az. 386 Js 135955/16). Darüber berichteten übereinstimmend u. a. die Pressestelle des Polizeipräsidiums München, die Abendzeitung und die Bildzeitung.
Übersicht:
- Wie sind die Täter vorgegangen?
- Kann den Bankkunden der Vorwurf gemacht werden sich grob fahrlässig verhalten zu haben?
- Was hat es mit den Tätern auf sich?
- Wie vollzieht sich die zivilrechtliche Haftung zwischen Bank und Bankkunde
Wie sind die Täter vorgegangen?
Mitglieder eines Familienclans aus Marseille und London haben deutschlandweit in circa 120 Fällen Debitkarten (eletronic cash Karten, EC-Karten) durch einen Trickbetrug an sich genommen und hierbei Konten geplündert haben. Dabei waren alle Opfer über 60 Jahre alt und es entstand ein Gesamtschaden von circa 150.000 Euro. Durch die Vernehmung von Zeugen sowie durch die Auswertung von Videoaufzeichnungen konnte das Vorgehen der Täter ermittelt werden. Die Täter, die meist zu zweit agierten, warteten in Bank-Foyers gezielt auf Rentner im Alter zwischen 60 und 90 Jahren. Einer der Täter stellte sich meist schräg hinter den älteren Bankkunden und spähte aus einigen Metern Entfernung die PIN durch sogenanntes Fingerlesen aus. Kurz vor dem Abhebevorgang des Bankkunden sollen die mutmaßlichen Täter dann in der Regel ganz nah an das Opfer herangetreten sein und es bedrängt haben. Durch starke Ablenkung gelang es den Tätern nun die Geldkarte unbemerkt aus dem Geldautomaten abzufangen. Man warnte etwa davor, dass der Geldautomat kaputt sei und die Debitkarten (eletronic cash Karte, EC-Karte) nicht mehr freigeben würde. Tatsächlich nutzen die Täter die Gelegenheit und betätigten unbemerkt die Abbruchtaste. Daraufhin gab der Automat die Debitkarte (eletronic cash Karte, EC-Karte) wieder frei, die die Täter in Sekundenschnelle unbemerkt an sich nahmen. Sie ließen den Bankkunden nun in dem Glauben zurück, die Debitkarte (eletronic cash Karte, EC-Karte) befinde sich noch im Geldautomaten.
Kann den Bankkunden der Vorwurf gemacht werden sich grob fahrlässig verhalten zu haben?
Nein. ilex Rechtsanwälte befragte den ermittelnden Kriminalhauptkommissar vom Münchener Kommissariat 74 („Scheck- / Kartenkriminalität“), ob sich die meist älteren Bankkunden vorwerfbar grob fahrlässiges Verhalten hätten? Nach Ansicht der Polizei ist diese Frage eindeutig mit Nein zu beantworten. Die Täter hätten angeblich im Hintergrund die PIN mitgelesen (Fingerlesen) und dann die Karten abgestaubt. Dem Geschädigten sei ausnahmslos überhaupt kein Verschulden im Sinne einer Leichtfertigkeit anzulasten. Es handelt sich um hochprofessionell und arbeitsteilig agierende Täter, die äußerst geschickt und bei allen Tathandlung oft nach dem gleichen Muster vorgegangen seien.
Was hat es mit den Tätern auf sich?
Durch eine akribische Auswertung von Videomaterial sowie durch Vernehmung von Zeugen gelangten die Ermittler des Münchener Kommissariats 74 auf die Spur des international agierenden Familienclans. Mit Trickdiebstählen an Geldautomaten oder in Juweliergeschäften und dem betrügerischen Erlangen von Kraftfahrzeugen finanzieren sie sich ihren Lebensunterhalt. Ihr Sitz ist in London und Marseille und von dort aus steuerten sie ihre „Clan-Mitglieder“. Dem Kommissariat 74 sind inzwischen 21 Beschuldigte bekannt, die für die 120 Trickdiebstähle an Geldautomaten in Deutschland verantwortlich sein sollen. Davon sind allein zehn nach Deutschland gekommen, um die Straftaten auszuführen und die erlangten Geldbeträge anschließend über den Soforttransfer per Western Union oder Money Gram nach Marseille oder London zu überweisen. Die anderen Mitglieder der Bande haben das Geld dort in Empfang genommen. Von den zehn in Deutschland tätigen Beschuldigten sollen mittlerweile sieben im In- und Ausland festgenommen worden sein. Die Beschuldigten, mit Wohnsitz in Frankreich und England, wurden in Untersuchungshaft genommen und müssen sich wegen Computerbetrug, Bandendiebstahl und Ausspähen von Daten verantworten.
Wie vollzieht sich die zivilrechtliche Haftung zwischen Bank und Bankkunde
Bei einer nichtautorisierten Zahlungsanweisung haftet grundsätzlich die kontoführende Bank. Ggf. ist vom Bankkunden nur ein Eigenanteil von 150 EUR zu tragen. Dies ist nur dann anders zu sehen, wenn sich der Bankkunde grob fahrlässig verhalten hat.